Übersichten zum Themenheft “Gewohnheit, Ritual und Zwang”
Hans-Joachim von Kondratowitz:
Gewohnheiten im Alter (Abstract)
Gewohnheiten und ihre Verfestigungen zu Ritualen sind Ausdruck des Alltagslebens und helfen es gleichzeitig zu strukturieren. Sie vermitteln über die ihnen innewohnenden Wiederholungen Handlungssicherheit und Berechenbarkeit. Wenn sie entfallen, werden zwar neue Freiheitsräume erfahrbar, doch steigert sich auch die Komplexität der Erfordernisse zum Handeln. Gewohnheiten im höheren Lebensalter werden deutlich kritischer bewertet und mit traditionellen Stereotypen des Alters verbunden. Da sich in Zukunft die Erfahrungswelten für das höhere Lebensalter deutlich ausweiten werden, ist eine Vielzahl von Altersgewohnheiten zu erwarten, für die traditionelle Ordnungsmuster alleine keine Aussagekraft mehr besitzen.
Manfred Josuttis:
Zur Phänomenologie der Ritualität (Abstract)
Der Aufsatz bietet eine Skizze zu Phänomenen von Ritualität in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, die auf unterschiedlichen wissenschaftstheoretischen Fundamenten arbeiten und mit unterschiedlichen Leistungen ritueller Praxis rechnen. Im Schlussabschnitt wird versucht, daraus einige Perspektiven für die Wahrnehmung von Ritualität im Alter zu entwickeln.
Johannes Kipp:
Zwangsstörungen im Alter - eine Übersicht (Abstract)
Zwangsstörungen entstehen im Alter selten neu, können aber, wie die meisten publizierten Fallberichte zeigen, über Jahrzehnte bis ins hohe Alter bestehen. Generell kommt es im Laufe des Lebens eher zu einer Reduktion der Zwangssymptomatik, was wohl damit zusammenhängt, dass die Ritualisierung von (spannungsmindernden) Gewohnheiten alterstypisch ist und Ich-synton empfunden wird. Einzig der Sammelzwang bzw. das Horten wird im Alter häufiger, womit diese Störung zum Zwangsspektrum gezählt werden kann.
Um deutlich zu machen, welche psychotherapeutischen Ansatzpunkte vorhanden sind, werden psychoanalytische und verhaltenstherpeutische Theorien der Entstehung und Chronifizierung von Zwangssymptomen vorgestellt. In einem Literaturüberblick, der sich vorwiegend auf publizierte Einzelfallberichte beziehen muss, da es wenig umfassende Publikationen dazu gibt, wir deutlich, dass die psychoanalytisch orientierte Therapie und vor allem die verhaltenstherpeutischen Interventionen auch im Alter erfolgreich sind.
Habits in old age (English Abstract)
Habits and their consolidation into rituals are an expression of everyday life and at the same time help to structure it. Through their inherent repetition, they provide security and predictability. When they cease to exist, new spaces of freedom are experienced, but the complexity of the requirements for action also increases. Habits in old age are evaluated much more critically and associated with traditional stereotypes of old age. Since the worlds of experience for the older age will expand significantly in the future, a multitude of habits of old age can be expected, for which traditional patterns of order alone no longer have any significance.
On the Phenomenology of Rituality (English Abstract)
The paper offers a sketch of phenomena of rituality in different scientific disciplines, which work on different scientific theoretical foundations and reckon with different performances of ritual practice. The concluding section attempts to develop from this some perspectives on the perception of rituality in old age.
Obsessive-compulsive disorders in old age - a review (English Abstract)
Obsessive-compulsive disorders rarely arise anew in old age, but, as most published case reports show, they can persist for decades into old age. In general, obsessive-compulsive symptoms tend to decrease with age, which is probably related to the fact that the ritualization of (tension-reducing) habits is typical for old age and is perceived as ego-syntonic. Only the collecting compulsion or hoarding becomes more frequent in old age, which means that this disorder can be counted among the compulsive spectrum. To make clear which psychotherapeutic starting points are available, psychoanalytic and behavioral theories of the development and chronification of obsessive-compulsive symptoms are presented. In a literature review, which has to refer mainly to published individual case reports, since there are few comprehensive publications on this subject, it becomes clear that psychoanalytically oriented therapy and especially behavior therapy interventions are also successful in old age.