Ingeborg Lackinger Karger:

Schönheitsklinik oder Zen-Kloster? Oder: Wie Frau trotz hysterisierten Zeitgeists in Schönheit und Würde altern kann (Abstract) (PDF)

In den mittleren Jahren, ihren Wechseljahren - erleben Frauen eine besondere Schwellensituation, die sich zunächst an körperlichen Veränderungen festmacht. Diese gleicht in Dynamik und Thematik der Adoleszenz, denn in beiden Lebensphasen geht es um Trennung von bisher erworbenen Selbstkonzepten, um Wandlung und Zugewinn neuer Perspektiven. In den Wechseljahren jedoch ist die Möglichkeit geringer, persönlichen Reifungsprozessen, die Trauer mit sich bringen, zu entgehen. Hysterische Verarbeitungsmechanismen werden in den Wechseljahren noch einmal wie in der Adoleszenz natürlicherweise aktiviert, um die Mühen dieser Schwellensituationen im Leben zu mildern. Die heutige Gesellschafrt jedoch scheint in vielem auf Verleugnung der verlustreichen Seiten des Alterns zu bauen und wirkt mit ihren Jugendlichkeitsidealen deshalb entwicklungshemmend. Eine hysterisierte Gesellschaft, die sich für »forever young« hält, macht reifes und würdevolles Altern unmöglich.

Mechthilde Kütemeyer:

Normopathie - Hypersoziale Traumaverarbeitung und somatoforme Dissoziation (Abstract) (PDF)

Eine große Gruppe alter Patienten, die überangepasst und leistungsbewusst ihre traumatischen Kriegserfahrungen über Jahrzehnte hinweg gut kompensiert haben, verdient besondere klinische Beachtung. Die internalisierten Durchhalteparolen der NS-Zeit, das Schweigen und die Unfähigkeit, Fragen zu stellen, haben bei diesen das Kriegsende, die Phasen des Hungers und des  »Wiederaufbaus« überdauert. Die Narben scheinbar verheilter Wunden brechen erst im Alter wieder auf, und zwar nicht in Form psychischer Symptome, sondern als multiple Somatisierungen: Schmerzen, Tinnitus, Bluthochdruck mit Tachykardie u. a. psychogene Beschwerden. Die Intensität der körperlichen Beschwerden sowie der anfallsartige Verlauf weisen darauf hin, dass es sich bei der Symptomatik um Erinnerungsphänomene, d.h. um somatisierte dissoziative Störungen handelt. Auch »Brückensymptome« in der Anamnese sind hinweisend.
    Eine rezeptive, zuhörende - erinnerungsfördernde - Haltung des Arztes kann einen Mitteilungsfluss bei den Patienten in Gang bringen, während die körperliche Symptomatik überflüssig wird und verschwindet. Dies wird anhand von Krankenbeispielen erläutert.

Bertram von der Stein:

Aggressive alte Männer: Zwischen Persönlichkeitsstörung, Naziideologie, Narzissmus und Identitätsdiffusion (Abstract) (PDF)

In Fallvignetten wird der schwierige therapeutische Umgang mit aggressiven alten Männern verdeutlicht. Für die Entstehung dieser Aggressivität spielen neben aktuellen Belastungen u.a. dekompensierte präödipale Störungen, Folgen von Traumatisierungen und biographische Belastungen eine Rolle. aus psychohistorischer Perspektive wird auf die besondere Problematik älterer Deutscher vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus und älterer Migranten mit transkulturellen Irritationen aufmerksam gemacht und mögliche therapeutische Konsequenzen aufgezeigt.

Rolf Tüschen und Petra Gruber:

»Vater Rhein sollte sie erlösen« - Suizidale Phantasien als Schlüssel zur Persönlichkeit (Abstract) (PDF)

In der Frühphase nach einem überlebten Suizidversuch ist die Abwehr gelockert. Der Therapeut kann Phantasien erfahren, die die Dynamik der Suizidalität erklären. Am Beispiel eines gemeinsamen Suizidversuchs eines Ehepaares wird geschildert, wie die suizidalen Phantasien auch zum Schlüssel zur Persönlichkeitsstruktur und zum vorherrschenden Muster der Objektbeziehungen werden.

Meinolf Peters:

Narzisstische Persönlichkeitsstörungen im Alter (Abstract) (PDF)

Zunächst wird das Alter als narzisstische Krise beschrieben, anschließend wird auf das Konzept der narzisstischen Persönlichkeitsstörung eingegangen und zwei Typen dieser Störungsform, nämlich der unbeirrte und der hypervigilante Narzisst unterschieden. Einige Überlegungen im Hinblick auf mögliche Altersveränderungen schließen sich daran an. Schließlich werden zwei Fallvignetten vorgestellt und mit psychodynamischen Überlegungen verknüpft. Abschließend werden einige therapeutische Konsequenzen diskutiert, die sich allerdings bei den beiden Typen dieser Persönlichkeitsstörung unterscheiden.

Veronika Bergstein und Amelie Jüttemann-Lembke:

Persönlichkeitsstörungen und Paarkonflikte im Alter - eine Fallstudie (Abstract) (PDF)

Bei älteren Patienten zwischen 55 und 75 Jahren fordern die anstehenden Entwicklungsaufgaben erhöhte Anpassungsleistungen, wobei gleichzeitig viele stabilisierende Faktoren entfallen. Patienten mit einer Persönlichkeitsstörung fällt diese Anpassung, die eine hohe Flexibilität im Bereich der Beziehungen voraussetzt, besonders schwer. Wir stellen zwei abgestufte Langzeittherapien von Patientinnen mit einer Persönlichkeitsstörung dar, die im Alter dekompenierten. Nach einer teilstationären Behandlung und einer darauf folgenden ambulanten Einzeltherapie wurden bei den langjährig verheirateten Patientinnen die Ehepartner einbezogen und der Schwerpunkt auf die Paartherapie gelegt.

Michael Mayer:

Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT) bei einer 68-jährigen Patientin mit Borderline-Persönlichkeitsstörung - eine Falldarstellung (Abstract) (PDF)

Dargestellt wird die bislang 15 Monate dauernde ambulante Psychotherapie einer 68 Jahre alten Patientin mit einer Borderline-Störung. Die Therapie orientierte sich an der DBT (dialektisch-behavioralen Therapie der Borderline-Störung). Dabei wird auf die Schwierigkeiten der Diagnosestellung bei älteren Patienten eingegangen. Die Diagnose der Borderline-Störung stellt in der Gerontopsychiatrie ein geeignetes diagnostisches Konzept dar, durch das die Symptomkonstellation auch bei alten Menschen gut abgebildet wird.

Falldarstellungen zum Themenheft

“Persönlichkeitsstörungen”

Beauty clinic or Zen monastery? Or: How women can age in beauty and dignity despite hysterical zeitgeist (English Abstract)
In the middle years - their menopause - women experience a special swelling situation, which is first of all determined by physical changes. This is similar to adolescence in dynamics and themes, because both phases of life are about separation from previously acquired self-concepts, about transformation and gaining new perspectives. In menopause, however, there is less possibility of escaping personal maturation processes that involve grief. Hysterical processing mechanisms are once again naturally activated during menopause, as they are during adolescence, to alleviate the travails of these threshold situations in life. Today's society, however, seems to rely in many respects on denial of the loss-making aspects of aging and, with its ideals of youthfulness, therefore has an inhibiting effect on development. A hysterical society that considers itself "forever young" makes mature and dignified aging impossible.

Normopathy - Hypersocial trauma processing and somatoform dissociation (English Abstract)

A large group of old patients who have overadjusted and performance-consciously compensated well for their traumatic war experiences over decades deserves special clinical attention. For these, the internalized Nazi-era slogans of perseverance, silence, and inability to ask questions have outlasted the end of the war, the periods of starvation, and "reconstruction." The scars of apparently healed wounds only reappear in old age, not in the form of psychological symptoms, but as multiple somatizations: Pain, tinnitus, high blood pressure with tachycardia, and other psychogenic complaints. The intensity of the physical complaints as well as the seizure-like course indicate that the symptomatology is memory phenomena, i.e. somatized dissociative disorders. "Bridge symptoms" in the history are also suggestive.    A receptive, listening - memory-promoting - attitude of the physician can initiate a flow of communication in the patient, while the physical symptomatology becomes superfluous and disappears. This is explained by means of examples of patients.




Aggressive old men: between personality disorder, Nazi ideology, narcissism and identity diffusion (English Abstract)

Case vignettes illustrate the difficult therapeutic handling of aggressive old men. In addition to current stresses, decompensated preoedipal disorders, consequences of traumatization and biographical stresses play a role in the development of this aggressiveness. From a psychohistorical perspective, attention is drawn to the special problems of older Germans against the background of National Socialism and older migrants with transcultural irritations, and possible therapeutic consequences are pointed out.


"Father Rhine should redeem them" - Suicidal fantasies as a key to personality (English Abstract)

In the early phase after a survived suicide attempt, defenses are loosened. The therapist can experience fantasies that explain the dynamics of suicidality. Using the example of a couple's joint suicide attempt, we describe how suicidal fantasies also become the key to personality structure and the prevailing pattern of object relations.


Narcissistic Personality Disorders in Old Age(English Abstract)

First, old age is described as a narcissistic crisis, then the concept of narcissistic personality disorder is discussed and two types of this form of disorder are distinguished, namely the unperturbed and the hypervigilant narcissist. Some considerations with regard to possible age changes follow. Finally, two case vignettes are presented and linked to psychodynamic considerations. Finally, some therapeutic consequences are discussed, although they differ between the two types of this personality disorder.

Personality disorders and couple conflicts in old age - a case study (English Abstract)

In older patients between 55 and 75 years of age, the developmental tasks at hand demand increased adaptations, while at the same time many stabilizing factors are absent. Patients with a personality disorder find this adjustment, which requires a high degree of flexibility in the area of relationships, particularly difficult. We present two graded long-term therapies of patients with a personality disorder who decompensated in old age. After partial inpatient treatment and subsequent outpatient individual therapy, the spouses were included for the patients who had been married for many years, and the focus was on couples therapy.


Dialectical-behavioral therapy (DBT) in a 68-year-old female patient with borderline personality disorder - a case presentation (English Abstract)

The 15-month outpatient psychotherapy of a 68-year-old female patient with borderline personality disorder is presented. The therapy was oriented towards DBT (dialectical-behavioral therapy of borderline personality disorder). The difficulties of making a diagnosis in older patients are addressed. The diagnosis of the borderline disorder represents a suitable diagnostic concept in gerontological psychiatry, through which the symptom constellation is also well represented in the elderly.