5. Jahrgang 2008,
Heft 1: Eine Institution stellt sich vor
Bettina Ugolini und Brigitte Boothe:
Die psychologische Beratungsstelle LiA – Leben im Alter – am Zentrum für Gerontologie der Universität Zürich
In den letzten Jahren ist infolge der demographischen Entwicklung die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für das Thema »Alter und Altern« erheblich gestiegen. Seit 1998 besteht an der Universität Zürich ein interdisziplinäres Kompetenzzentrum für Gerontologie, das sich mit vielfältigen – darunter häufig gesundheitsbezogenen – Aspekten der individuellen und gesellschaftlichen Alterung beschäftigt. In der Arbeit des Zentrums wird auf die Verknüpfung von wissenschaftlicher Theoriebildung, Forschung, Praxis und Beratung grossen Wert gelegt.
An der Universität Zürich profitiert die Gerontologie von dieser Bündelung in einem Kompetenzzentrum, um die Anliegen von gerontologischer Forschung, praktischer Altersarbeit, älteren Menschen, gerontologisch Interessierten, Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit für einen produktiven Diskurs nutzbar zu machen.
1998 von der Universitätsleitung auf Anregung des »Zürcher Arbeitskreises für Gerontologie« aus Vertreterinnen und Vertretern der Universität und diverser Institutionen der praktischen Altersarbeit im Raum Zürich gegründet, fördert das Zentrum für Gerontologie (ZfG) heute die Forschung und Lehre auf allen Gebieten der Alterswissenschaften. Das Zentrum ist durch das interfakultär besetzte Leitungsteam aus der Philosophischen, der Medizinischen und der Theologischen Fakultät sowie durch rund 60 Mitglieder aus allen Fakultäten innerhalb der Universität Zürich gut vernetzt. Im Rahmen von Projekten, Veranstaltungen und Beratungen bestehen vielfältige Kontakte, so dass die Arbeit des Zentrums nie Gefahr läuft, die »Bodenhaftung« zu verlieren.
Im Jahr 2002 konnte nach einer ca. halbjährigen Phase der Konzeptualisierung die Beratungsstelle »LiA – Leben im Alter« eröffnet und in Betrieb genommen werden. Dazu stellte die Universität die Mittel für die Infrastrukturkosten zur Verfügung, während alle Personalkosten durch die Beratungsstelle selber getragen werden müssen. Die Beurteilung der aktuellen Situation alter Menschen ließ damals vermuten, dass ein psychologisches Beratungsangebot für Senioren und ihre Angehörigen nicht ausreichend vorhanden ist. Daraus resultierte die Idee, diese Nische mit einer psychologischen Beratungsstelle am Zentrum für Gerontologie zu füllen. Die genaue inhaltliche Ausrichtung orientierte sich in erster Linie an den Bedürfnissen der Senioren, ihren Angehörigen und der Marktlage. Übergeordnet entscheidend war aber, dass diese Beratungsstelle eine Ergänzung der bereits bestehenden Angebote mit eindeutig psychologischer Ausrichtung darstellen sollte. Es sollten damit explizit keine Konkurrenzverhältnisse geschaffen, mit Schnittstellen zu anderen Beratungsangeboten musste aber gerechnet werden. Weiterhin wurde eine Vernetzung mit bereits bestehenden Beratungsstellen und sonstigen Altersinstitutionen angestrebt.
Zielsetzungen der Beratungsstelle
Die Beratungsstelle soll ein komplementäres Beratungsangebot für Seniorinnen und Senioren und ihr soziales Umfeld darstellen. Es geht hier um ein niederschwelliges Beratungsangebot rund um das Thema »Alter«. Dabei wird ein vielfältiges, flexibles Dienstleistungsangebot angestrebt, das eine breite Klientel anspricht. Intern und extern bereits bestehende Netzwerke sollten zur eigenen Vernetzung genutzt werden.
Struktur der Beratungsstelle
Die Beratungsstelle ist am Zentrum für Gerontologie angesiedelt und untersteht zwei Personen, einem Mediziner und einer Psychologin, aus dem Leitungsgremium. Geleitet wird sie von einer Psychologin mit gerontologischem und klinischem Hintergrund.
Zielgruppe der Beratungsstelle
Als Zielpublikum werden Personen über 55 Jahre in und um Zürich angesprochen, die zu Hause oder in einer Altersinstitution leben, eine psychologische Beratung benötigen oder sich konstruktiv mit dem Altern auseinandersetzen möchten. Eine zweite Gruppe rekrutiert sich aus dem sozialen Umfeld alter Menschen: Angehörige, professionell Betreuende, wie z. B. Pflegepersonal oder Ärzte und auch Freiwillige Helferinnen und Helfer.
Dienstleistungsangebot
Die Beratungen sind thematisch sehr vielfältig; sie können sich etwa auf akute Krisensituationen, auf die Lösung von Beziehungs- und Generationenkonflikten, auf die Unterstützung bei der Anpassung an eine neue Wohn- oder Lebenssituation, auf den Umgang mit einem demenzkranken Familienmitglied oder auf die Kommunikation im Dreieck Pflegepersonal – Bewohner/in – Angehörige beziehen. Zudem gibt es zur besseren Integration der Angehörigen in den Pflege- und Betriebsalltag das Angebot der Institutionsberatung.
Vernetzung der Beratungsstelle
Die Einbettung der Beratungsstelle in das Zentrum für Gerontologie sorgt einerseits für den Praxisbezug des Zentrums, andererseits für die wissenschaftliche Fundierung des Beratungsangebots. Da die Beratungsstelle sich finanziell selbst tragen muss, ist eine enge Vernetzung innerhalb und außerhalb der Stadt Zürich zur Sicherstellung des Angebots erforderlich.
Das Beratungsangebot für Personen in Altersinstitutionen wurde bereits von Beginn an in enge Zusammenarbeit mit den Pflegezentren der Stadt Zürich, dem grössten Anbieter von Pflegebetten in der Schweiz, entwickelt. Aktuell werden rund ein Drittel der Beratungen in den 10 Pflegezentren durchgeführt. Dazu zählen die psychologische Begleitung von Menschen in Krisensituationen, Beratungen und Begleitung von Angehörigen und Unterstützung des Pflegepersonals bei komplexen Pflege- oder Familiensituationen.
Der stadtärztliche Dienst ist ebenfalls ein enger Partner der Beratungsstelle. Der Chefarzt PD Dr. med. Albert Wettstein ist als Mitglied des Leitungsgremiums des Zentrums für Gerontologie damit beauftragt, die medizinische Aufsicht zu führen. Der Stadtärztliche Dienst ist für die medizinische Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner der Pflegezentren zuständig und damit bei ihrer Beratung ein enger Ansprechpartner.
Die Verbindung zum Lehrstuhl für Klinische Psychologie, Psychotherapie und Psychoanalyse wird durch die Lehrstuhlinhaberin Prof. Dr. phil. Brigitte Boothe als Mitglied des Leitungsgremiums des Zentrums und als psychologische Leitung der Beratungsstelle gewährleistet. Regelmässiger Austausch und Fallsupervisionen dienen der Weiterentwicklung und Qualitätssicherung des Angebots.
Die Beratungsstelle ist weiterhin mit den beiden grössten Memory Kliniken in der Stadt Zürich verbunden. So kommt es hier immer wieder zu Zuweisungen von Patienten mit einer Demenzdiagnose und ihrer Angehörigen.
Diverse Weiterbildungsinstitute nutzen den Bezug von Praxis und Forschung der Beratungsstelle, um diesen in ihre gerontologischen oder psychologischen Aus- und Weiterbildungen einfliessen zu lassen.
Verbindung zu Forschung
In der Beratungsstelle werden Erkenntnisse der Forschung zum Nutzen einzelner Personen umgesetzt und evaluiert. Bei Forschungsprojekten am Zentrum für Gerontologie werden die Mitarbeiter von LiA hinzugezogen, um Interessen der Praxis mit zu vertreten und Fragen der Praktikabilität mitzubeurteilen. Ausserdem stellt sie sich als Anlaufstelle für Probanden, die Beratung benötigen, zur Verfügung.
Zukunftsdimensionen
Nachdem LiA sich nun 5 Jahre als Beratungsstelle für das Stadtgebiet, aber auch weit über die Grenzen der Stadt Zürich hinaus bewährt hat, ist für die Zukunft geplant, das Angebot zu erweitern.
Auf inhaltlicher Ebene soll es zukünftig auch Angebote zur präventiven Auseinandersetzung mit dem Alter und den damit verbundenen möglichen Schwierigkeiten und Herausforderungen geben. Die Nachfrage nach Gruppenarbeit zur thematischen Auseinandersetzung mit altersrelevanten Konfliktfeldern ist im letzten Jahr deutlich gestiegen. In Zukunft soll beispielsweise durch gezielte Gruppenangebote zu den Themen Weisheit im Alter, Beziehungsgestaltung bei Pflegebedürftigkeit eines Partners etc. Rechnung getragen werden.
Strukturell sollen Einsätze für ForschungspraktikantInnen aus der Klinischen- oder Gerontopsychologie ermöglicht werden.