6. Jahrgang 2009,

Heft 1: Eine Institution stellt sich vor

Jens Bruder, Christa Matter & Birgit Wolff:

Bundesarbeitsgemeinschaft Alten- und Angehörigenberatung e.V. (BAGA)


Die Bundesarbeitsgemeinschaft Alten- und Angehörigenberatung e.V. (BAGA) ist ein Verein auf Bundesebene, in der sich Beratungsstellen unterschiedlicher Trägerschaft zusammengeschlossen haben. Die BAGA versteht sich als Forum und Interessenvertretung der Beratungsstellen auf Bundesebene. Der Vereinsvorstand arbeitet ausschließlich ehrenamtlich. 

Die Geschichte der BAGA

Seit Ende der 60er Jahre wuchs das Bewusstsein für die Vielfalt von Aspekten, die mit Altern verbunden sind: die Zunahme der Lebenserwartung, das immer häufigere Nebeneinander von chronischen Krankheiten und erhaltenen Potentialen, die Individualisierung von Lebensläufen und die Zunahme von veränderten Familienstrukturen, beispielsweise der Trennung nach langer Ehe. Hinzu kam die stetig wachsende Zahl der Demenzerkrankten, die ein gewaltiges Bedürfnis nach einem Verstehen von zunächst verwirrendem Verhalten besonders bei den nächsten Angehörigen entstehen ließ. In letzter Zeit entwickelte sich dieses Bedürfnis auf Grund des langsam wachsenden Mutes zu einem offeneren Umgang mit eigenen Symptomen auch bei den Erkrankten in einem frühen Stadium selbst. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen ließ sich der wachsende informatorische, besonders aber auch der psychosoziale Unterstützungsbedarf durch existierende Hilfsangebote immer weniger abdecken.
   Anfang der 80er Jahre entstanden deshalb die ersten Beratungsangebote für alte Menschen und für pflegende Angehörige. Ihre Organisationsform war sehr unterschiedlich: Neben solitären Beratungsstellen gab es Aufgabenausweitungen und personelle Ergänzungen bestehender Einrichtungen. Die Arbeit erfolgte von Anfang an über alle helfenden Berufsgruppen hinweg interdisziplinär. In nicht wenigen Fällen war die Arbeit zunächst von Sorgen um die weitere Finanzierung überschattet. Später wurde die Bedeutung dieser Beratungsstellen immer mehr erkannt. Diese Entwicklung sorgte für eine weitere Verbreitung der Angebote.
   1991 fanden sich in Bonn Vertreter und Vertreterinnen von über 20 Beratungsangeboten in ganz Deutschland zu einem ersten Erfahrungsaustausch zusammen. Der Gedanke eines Zusammenschlusses entstand und führte nach intensiven Diskussionen zur Gründung der Bundesarbeitsgemeinschaft Alten- und Angehörigenberatung (BAGA). Einige Jahre später erfolgte die Umwandlung de BAGA in die Rechtsform eines Vereins.
   Wichtige Fortschritte brachten später die Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 und deren Folgegesetze mit Verbesserungen für Demenzerkrankte und Entlastungsangeboten für pflegende Angehörige (2002 und 2008).

Der psychosoziale Beratungsansatz

In der Satzung der BAGA ist unter § 2 der Zweck des Vereins formuliert. In Absatz 1 heißt es:

»Gemeinsames Ziel sind die Verbesserungen der Versorgung hilfsbedürftiger alter Menschen und die Entlastung ihrer Angehörigen durch Beratung. Grundlage der Arbeit ist die Überzeugung, dass durch mehr Wissen, verbessertes Verständnis und veränderte Einstellungen Belastungen vermindert und Bewältigungsvermögen vergrößert werden können.«

Die BAGA hat sich zum Ziel gesetzt, insbesondere Qualitätsstandards und Leitlinien für die Alten- und Angehörigenarbeit weiterzuentwickeln. Bis heute sind in der gemeinsamen Arbeit drei Informationsblätter zu den Themen:

  • Erfolgskriterien für die Beratung älterer Menschen,

  • Erfolgskriterien für die Beratung von pflegenden Angehörigen und

  • Standards psychosozialer Beratung von alten Menschen und Angehörigen entwickelt worden.

Die BAGA sieht die Implementierung von psychosozialen Ansätzen in der Beratung und Unterstützung älterer Menschen und ihrer Angehörigen als eine wichtige Aufgabe an.

Psychosoziale Beratung

In der BAGA wird versucht, ein gemeinsam getragenes Beratungskonzept zu entwickeln. Psychosoziale Beratung:

  • ist ein überwiegend durch Gespräche geleisteter Unterstützungsprozess für Menschen in Belastungs- und Notsituationen, der auf die Verbesserung der Bewältigungs- und Handlungskompetenz abzielt,

  • ist die Überzeugung, dass durch mehr Wissen, vermehrtes Verständnis und veränderte Einstellungen Belastungen vermindert und Bewältigungsmöglichkeiten verbessert werden können,

  • erfasst die Ressourcen des/r KlientIn oder Hilfesuchenden, stützt diese und zeigt ein individuell abgestimmtes Hilfsangebot auf, mit dem Ziel, die Handlungskompetenz zu stärken,

  • bietet Möglichkeiten zu Aussprache und Entlastung und

  • informiert über Angebote zur Unterstützung und deren Finanzierung in der Region.

In einem Beratungsprozess werden die jeweiligen Fähigkeiten und Fertigkeiten der Ratsuchenden herausgearbeitet, um zu ermöglichen, dass Belastungssituationen besser bewältigt werden können.

Derzeitige Aktivitäten der BAGA

Die damaligen Sprecherinnen der BAGA haben im Jahr 1999 im Rahmen eines durch das Bundesministerium für Gesundheit gefördertes Pilotprojekt das Praxishandbuch »Wege aus dem Labyrinth der Demenz« für die konkrete Umsetzung in die Praxis erarbeitet. In diesem Handbuch sind beispielhafte Projekte für Familien mit Demenzkranken beschrieben und aufgezeigt, wie sie etabliert werden können. Außerdem finden sich dort erste Leitlinien für Qualitätsmerkmale dieser Arbeit.
   Die Beratungsarbeit wird durch flankierende Maßnahmen ergänzt vor allem durch Gruppenberatung in Form von angeleiteten Angehörigen-Gesprächskreisen und durch so genannte niedrigschwellige Betreuungsangebote, wie häusliche Einzelbetreuung, Gruppen- und Tagesbetreuung. Mit der Einführung des Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetzes im Jahr 2002 können einige der im Handbuch beschriebenen Arbeitsansätze von der Pflegeversicherung finanziert werden. Diese Arbeit wurde im Juli 2008 durch das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz noch einmal ausgeweitet und finanziell besser gestellt.
   Die BAGA nimmt Stellung zu sozial- und gesundheitspolitischen Entwicklungen für alte Menschen und deren Angehörige. Sie hat beispielsweise Stellungnahmen zur Einführung des Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetzes und des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes verfasst. Aktuell haben Mitglieder der BAGA Qualitätsempfehlungen für die Beratung von älteren Menschen und deren Angehörigen z.B. in Alten- bzw. Seniorenberatungsstellen, gerontopsychiatrischen Beratungsstellen, Pflegestützpunkten usw. verfasst und veröffentlicht.
   Die BAGA tritt ein für:

  • die flächendeckende Einrichtung einer Alten- bzw. Seniorenberatung als Regelangebot,

  • eine Stärkung häuslicher Unterstützungsarrangements und

  • die Ausdifferenzierung und Vernetzung von entsprechenden Angeboten.

Auf ihrer Homepage schafft sie einen Überblick über bundesweite Beratungsstellen und Entlastungsangebote für ältere Menschen und Angehörige.
   Für ihre Mitglieder bietet die BAGA den kollegialen Austausch über unterschiedliche Beratungskonzepte und deren Finanzierungsmöglichkeiten sowie über die unterschiedlichen Praxiserfahrungen. Dazu treffen sich die Mitglieder halbjährlich zu zweitägigen Tagungen. Im Frühjahr findet die Tagung in verschiedenen, möglichst gut erreichbaren Städten in der Bundesrepublik statt. Die Herbsttagung wird seit einigen Jahren in Berlin durchgeführt. Am zweiten Veranstaltungstag werden Referate zu aktuellen Themen gehalten, die in der Regel auch für die interessierte Öffentlichkeit offen sind.
   Die BAGA e.V. nimmt Beratungsstellen oder Einzelpersonen auf, die überwiegend in der Alten- und/oder Angehörigenberatung tätig sind.