10. Jahrgang 2013,

Heft 3: Eine Institution stellt sich vor

Ruth Schulhof-Walter:

Ein Heim im Alter - das Elternheim

Ehre Vater und Mutter, auf dass du lange lebest auf dem Boden, den der Ewige, dein Gott, dir geben wird.

Der Name ist Programm – die Einrichtung der Synagogen-Gemeinde Köln ist ein Alters- und Pflegeheim, es wird aber Elternheim genannt, da dort die Eltern- und Großelterngeneration wohnt. Schon im Namen soll sich der Respekt vor der älteren Generation ausdrücken. Das Elternheim versteht seine Arbeit als lebendigen Dienst am Menschen in einem Leben miteinander unter Beachtung der jüdischen Religion und Tradition. Zu dieser Tradition gehört es, die Bewohner als eigenständige Persönlichkeiten zu achten und entsprechend zu behandeln, unabhängig vom Gesundheitsstatus.
   Das Haus wird traditionell jüdisch geführt. Dies ist nicht nur ein theoretischer Leitgedanke, sondern erlebter Alltag. Selbstverständlich erfolgen Pflege und Betreuung der Bewohner maßgeblich nach den heutigen pflegerischen Standards.
   Das Elternheim ist in einem 2003 sanierten, denkmalgeschützten Haus integriert. Das Wohnen findet in Einzel- oder Doppelzimmern statt. Alle Zimmer sind mit eigener Dusche und WC ausgestattet, sowie Telefon-, TVAnschluss und Hausnotruf. Es gibt einen kleinen Friseursalon, medizinische Fußpflege ebenso wie eine umfangreiche Bibliothek im Haus. In der hauseigenen Küche wird entsprechend der jüdischen Speisegesetze gekocht und man kann, da die Küche sich im Haus befindet, auf individuelle Diätbedürfnisse hervorragend eingehen.
   Selbstverständlich gibt es verschiedene Beschäftigungs- und Freizeitangebote, wobei Wert darauf gelegt wird, dass an Demenz erkrankte Bewohner speziell gefördert und betreut werden. Die beiden Terrassen und der schöne Garten laden zum Sitzen im Freien ein.
   Darüber hinaus wird das Leben der Bewohner jedoch ganz besonders davon geprägt, dass es sich um eine jüdisch geführte Einrichtung handelt. Die Bewohner gehören fast ausschließlich der jüdischen Religion an. Diese Tatsache verbindet die Menschen im Alter, unabhängig davon, woher sie ursprünglich stammen oder wie religiös sie ihr Leben vor ihrem Einzug ins Elternheim gestaltet hatten. Den Bewohnern wird die Möglichkeit geboten in der jüdischen Tradition zu leben. Dies bedeutet für die Menschen nicht nur religiöse Kontinuität, sondern ein großes Stück Sicherheit. Sie sind in dieser Tradition vielfach groß geworden, sie finden hier ein Stück Heimat und Geborgenheit. Die Bewahrung der Tradition hat gerade für alte Menschen einen hohen Stellenwert.
   Die Bewohner erkennen die Feiertage mit ihren Gebeten und Riten, die sich seit ihrer Jugendzeit nicht wesentlich verändert haben. Für den seelischen Beistand bringt der Gemeinderabbiner bei seinen Besuchen sehr viel Geduld und Kraft mit. Er spricht fünf verschiedene Sprachen und ermöglicht es den Bewohnern, ein Gespräch zumeist in ihrer Muttersprache zu führen.
   Die Mehrzahl der Bewohner stammt aus den ehemaligen GUS-Staaten. Bei der Besetzung von Stellen im pflegerischen Bereich wird darauf geachtet, dass auch Russisch sprechendes Personal eingestellt wird. Zurzeit sprechen mehr als 60% des Personals auch russisch. Es ist für die Bewohner sehr wichtig, dass sie im Alter die Sprache benutzen dürfen, mit der sie aufgewachsen sind.
   Durch die Altersstruktur gehören die meisten Bewohner zur Vorkriegsgeneration. Das Wissen um ihre individuelle Geschichte gibt Informationen, die den täglichen Umgang beeinflussen, wenn es von den Mitarbeitern genutzt wird. Die Bewohner sind ausnahmslos von den historischen Geschehnissen betroffen und durch sie geprägt. Sie mussten Verfolgung, Folter und Morddrohungen erleben, ebenso wie die Ermordung vieler Familienangehöriger. Sie leiden unter diesen Traumata und den daraus folgenden Auswirkungen. Das Ziel des Elternheims ist es, eine Re-Traumatisierung zu vermeiden. Dazu gehört auch, bestehende Ängste wahrzunehmen und entsprechend darauf einzugehen.
   Das Elternheim hat das Ziel, den Blick auf das menschliche Leiden, die Nöte und Bedürfnisse ihrer Bewohner zu richten, ihre Würde zu achten und zu erhalten und ihnen den Schutz der Gemeinschaft zu gewähren. Es gilt, die familiären und sozialen Kontakte der Bewohner zu fördern und zu bewahren. Bedingt durch oft fehlende Familienangehörige, bekommt der Umgang mit dem Personal eine hohe Bedeutung.
   Das Elternheim ist im jüdischen Wohlfahrtszentrum untergebracht, in dem sich auch der Kindergarten, die Grundschule und die Verwaltung der Synagogen-Gemeinde Köln mit vielen Abteilungen befindet.
   Die Mitarbeiter verpflichten sich in ihrer Arbeit, den Bewohnern das Gefühl zu geben, Teil der Gemeinschaft zu sein und auf deren besondere Anforderungen und Bedürfnissen einzugehen. Die Grundsätze der jüdischen Sozialarbeit, nach denen die Bewohner betreut werden, gehen auf die Gebote der Thora zurück. Jüdische Sozialarbeit ist nicht nur eine Profession, sondern auch eine Berufung. Dementsprechend leisten alle Mitarbeitenden, unabhängig von ihrer jeweiligen Stellung in der Einrichtung, Sozialarbeit – soziale Arbeit am Menschen.
   Der Talmud sagt dazu: »Helfen ist eine Ehre, die dem Helfenden zugute
kommt, damit deine Tage sich auf Erden verlängern.«