Nachruf auf Johannes Kipp, gestorben am 17. Mai 2014 zum Themenheft
“Märchenhaftes Altern”

Am 17. Mai diesen Jahres ist unser Freund und Kollege, Mitherausgeber und Schriftleiter dieser Zeitschrift verstorben. Sein Tod kam für uns nicht überraschend; wir wussten lange von seiner schweren Erkrankung, die ihm nur noch eine sehr begrenzte Lebenszeit gewähren würde. Dass es dann noch vier Jahre waren, viel länger als ursprünglich prognostiziert, sagt auch etwas über seine Person aus. Obwohl wir also von seinem baldigen Ende wussten, trifft uns sein Tod doch schmerzlich, fühlen wir uns ihm doch nicht nur beruflich, sondern auch persönlich sehr verbunden.
   Johannes Kipp wurde am 4. Mai 1942 im Schwäbischen geboren. Schon früh in seinem Leben verschlug es ihn nach Hessen, zunächst zum Studium nach Marburg, später nach Kassel, wo er die meiste Zeit seines Lebens zubrachte. Doch diese Lebensdaten stehen jetzt nicht im Vordergrund. Wir möchten hier seine Person würdigen und werden uns seinem Lebenswerk zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal zuwenden. Johannes Kipp verband in seinem konkreten Berufsalltag das breite und konfliktreiche Spektrum von Psychoanalyse, Psychosomatik und Psychiatrie. Seine Integrationskraft orientierte sich hierbei an der konkreten Versorgungssituation im Dienste von Patienten und all den unterschiedlichen Berufsgruppen, die an multiprofessionellen Konzepten der Psychotherapie im Alter beteiligt sind. Gegenüber neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Impulsen aus Nachbardisziplinen war er immer aufgeschlossen. Ideologische Polarisierungen und Profilierungstendenzen lagen ihm fern. Einen besonderen Stellenwert in seinem beruflichen Leben – das aber gleichzeitig auch sein privates Leben war, weil es bei ihm eine solche Trennung nicht gab – nahm die Zeitschrift Psychotherapie im Alter (PiA) ein, die er vor mehr als zehn Jahren zusammen mit Hartmut Radebold, Angelika Trilling, Meinolf Peters und Henning Wormstall gegründet hat. Nach langem Vorlauf erschien Anfang 2004 das erste Heft, bezeichnenderweise zum Thema »Erstgespräche«. Johannes Kipp hat diese Zeitschrift als sein Alterswerk gesehen, weil für ihn ein Leben ohne die für ihn so wichtige Aufgabe, nämlich sich für ältere Menschen zu engagieren, nicht vorstellbar war. Mit seinen Ideen, seinen Kenntnissen und Erfahrungen und seinem unglaublichen Enthusiasmus hat er PiA seinen Stempel aufgedrückt. In seiner Funktion als Schriftleiter, aber auch durch seine Persönlichkeit, seine Überzeugungskraft und seinen unermüdlichen Einsatz – er hat unfassbar viel Zeit in dieses Projekt investiert – liefen bei ihm alle Fäden zusammen. Hierbei verband er nachhaltige Hartnäckigkeit und Zuverlässigkeit mit Kreativität und wohlwollender Kollegialität. Bei aller Genauigkeit und Präzision im kritischen Ringen um Texte war seine großzügige Unterstützung stets spürbar. Wir alle haben dabei viel von ihm gelernt.
   Auch wenn es die Arbeit an dem Projekt PiA war, die uns zusammengeführt hat, ist damit wenig über die Atmosphäre gesagt, die uns über mehr als zehn Jahre zusammengehalten hat und die eine wichtige Voraussetzung war, die Zeitschrift trotz schwieriger Rahmenbedingungen zum Erfolg zu führen. Diese Atmosphäre wurde wesentlich durch Johannes’ Fähigkeit geprägt, Menschen anzusprechen und mitzunehmen. Bezeichnend für sein völlig unprätentiöses Verhalten sind die Herausgebersitzungen, die einmal im Jahr in seinem in einem verwunschenen Winkel gelegenen, von hohen Bäumen umgebenen und mit Büchern vollgestopften Haus stattfanden. Zwei Tage haben wir dort zusammen verbracht, gemeinsam gegessen, in seinem Haus übernachtet und natürlich auch gearbeitet – und Johannes hat für alles gesorgt. Wir fühlten uns manchmal an Jugendzeiten erinnert, als Ferienlager Gruppenerlebnisse schufen, die persönliche Entwicklungen beeinflussten und so für immer in Erinnerung blieben. So ähnlich war es auch jetzt: Wenn wir auseinander gingen, hatten wir immer das Gefühl, eine in fachlicher wie persönlicher Hinsicht wichtige Zeit miteinander verbracht zu haben. Die letzten Treffen fanden bereits mit dem Wissen um die Krankheit statt, und uns alle beschäftigte die Frage, ob es das letzte Mal sein werde. Dadurch entstand jedoch keine bedrückende Atmosphäre, das verstand Johannes selbst zu verhindern, indem er mit seiner Krankheit und auch seinem Sterben sehr offen umging. Dies ist auch in seinen letzten Publikationen zu sehen, in denen er sich intensiv mit dem Thema Tod und Sterben auseinandersetzte und uns daran teilnehmen ließ. Wir haben ihn manchmal erschöpft erlebt und spürten, dass seine Kräfte schwanden – und doch wirkte er niemals verzweifelt oder verbittert, er schien sein Schicksal mit bewundernswertem Gleichmut hinzunehmen. Wie er mit seiner Krankheit umging, war für uns alle vorbildhaft. Und noch eins war klar: Für PiAarbeitete er weiter, auch als seine Kräfte dazu kaum noch ausreichten, er hat es bis zu seinen letzten Tagen durchgehalten. Ihm war wichtig, dass es mit der »kleinen PiA«, wie er die Zeitschrift manchmal liebevoll nannte, weitergeht.
   Lieber Johannes, wir danken Dir für die Zeit, die wir mit Dir verbringen durften. Wir werden alles tun, die Zeitschrift in Deinem Sinne weiterzuführen.

Die Herausgeber:
Simon Forstmeier
Astrid Riehl-Emde
Meinolf Peters
Henning Wormstall
Bertram von der Stein
Angelika Trilling
sowie
Hartmut Radebold
(Mitbegründer und Herausgeber von 2004–2008)