Meinolf Peters & Eva-Marie Kessler: Editorial zum Themenheft
“Neue Therapieformen”

Neue Entwicklungen in der Psychotherapie – ein Innovationsschub für die Psychotherapie mit Älteren?

Die psychotherapeutische Landschaft befindet sich wieder einmal im Umbruch. Während wir dieses Editorial verfassen, hat das Gesundheitsministerium den Referentenentwurf für eine umfassende Studienreform vorgelegt, die den Beruf der Psychotherapeutin/des Psychotherapeuten auf ganz neue Füße stellen wird. Es wird sich zeigen, inwieweit darin auch die Psychotherapie mit älteren Menschen berücksichtigt ist. Ebenso bedeutsam wie diese strukturellen Veränderungen sind inhaltliche Neuerungen, die sich allerorten finden lassen. Ob Akzeptanz- und Commitment-Therapie, Schematherapie, CBASP (»Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy«), mentalisierungsbasierte oder strukturbezogene Psychotherapie, alle diese Neuentwicklungen der vergangenen Jahre werden derzeit lebhaft diskutiert. Dabei sind zwei Fragenkomplexe bislang völlig ungeklärt geblieben. Der erste dieser Komplexe umfasst folgendes Problem: Fraktioniert sich die Psychotherapie oder gibt es eine gemeinsame Basis dieser Veränderungen? Lassen sich die Neuerungen auf grundlegende Entwicklungen zurückführen und lässt sich womöglich eine gemeinsame theoretische Grundlage ausmachen? Martin Wendisch (2015) hat jüngst für eine allgemeine Psychotherapie plädiert und als deren Basis das Mentalisierungskonzept vorgeschlagen. Ob dies wegweisend sein wird, bleibt abzuwarten. Der zweite Fragenkomplex bezieht sich darauf, wie neu diese Entwicklungen eigentlich sind. Jochen Eckert (2011) hat in einer durchaus ernst gemeinten Polemik die Auffassung vertreten, dass zum Beispiel die mentalisierungsbasierte Psychotherapie eigentlich nichts anderes sei als die altgediente Gesprächspsychotherapie von Carl Rogers, also alter Wein in neuen Schläuchen. So ganz unrecht dürfte er nicht haben. Lässt sich das aber auch für andere der Neuentwicklungen sagen?
   Diese Fragen, so interessant sie auch sein mögen, wird das vorliegende Heft nicht beantworten. Denn uns geht es hier um ein anderes Thema, nämlich darum, wie innovativ diese Neuentwicklungen für die Psychotherapie mit älteren Menschen sind. Die Psychotherapie mit Älteren steht vor großen Herausforderungen, die einen Innovationsschub erfordern, insbesondere was die stärkere Einbeziehung hochaltriger Patienten angeht. Es ist Gegenstand des Eingangskapitels, worin diese Herausforderungen im Einzelnen bestehen und wie der derzeitige Stand der Alterspsychotherapie einzuschätzen ist. Ob die neuen Ansätze in der Psychotherapie zu einem Entwicklungsschritt in der Alterspsychotherapie beitragen und ihm wichtige Impulse verleihen können, steht im Mittelpunkt dieses Schwerpunktheftes von Psychotherapie im Alter. Wir haben wichtige Vertreterinnen und Vertreter der neuen Therapieformen gewinnen können, ihren jeweiligen Ansatz im Hinblick auf ältere Menschen darzustellen, wenn vorhanden auch unter Bezugnahme auf Forschungsbefunde.
   Wir hoffen, dass Sie, liebe Leserinnen und Leser, sich angeregt fühlen zu prüfen, ob Sie Neues entdecken, das Ihr Denken und Handeln in Bezug auf Psychotherapie mit Älteren erweitern könnte.

Literatur

Eckert J (2011) Mentalisierung. Alter Wein in neuen Schläuchen? Leserbrief. Psychotherapeut 56(1): 79–80.
Wendisch M (2015) Verhaltenstherapie emotionaler Schlüsselerfahrungen. Vom kognitiven Training zur emotionalen Transformation. Bern (Huber).