15. Jahrgang 2018,
Heft 4: Eine Institution stellt sich vor
Sabrina Mewes-Bruchholz:
Quartiersmanagement der Pfeifferschen Stiftungen in Magdeburg Nord als sozialraumorientierter Versorgungsansatz in der offenen Altenarbeit
Einleitung
Kurze Wege für Beratung und Begegnung – mit diesem Anspruch startete im Jahr 2015 das Kooperationsprojekt der Pfeifferschen Stiftungen, Bereich Ambulante Dienste, und der Wohnungsgenossenschaft »Otto von Guericke«. Eine Quartiersmanagerin unterstützt seitdem die Mieter des 16-Geschossers ebenso wie Bewohner des Quartiers mit Angeboten, berät zu Fragen der Pflegebedürftigkeit sowie zum Thema Wohnraumanpassung. Die Arbeit basiert auf den Erfahrungen des sogenannten »Bielefelder Modells« und richtet sich nach den Leitlinien des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA). Das Quartiersmanagement möchte die Nachbarschaftshilfe stärken und den Stadtteil beleben, Menschen verschiedenen Alters miteinander in Kontakt bringen und Freizeit- sowie Informationsangebote aufbauen. Dazu befinden sich im Erdgeschoss des Hochhauses im Milchweg 31 das Beratungsbüro und der Treffpunkt Wohncafé, ein 40 qm großer Gemeinschaftsraum mit Mehrfachnutzungsmöglichkeit.
Quartiersansatz und Zielgruppe
Das Quartier rund um den Milchweg im Norden Magdeburgs liegt im Stadtteil Neustädter Feld an der Grenze zum Stadtteil Kannenstieg. In beiden Stadtteilen leben sehr viel Ältere, der Altersdurchschnitt im Kannenstieg lag 2017 bei 49,5 Jahren, im Neustädter Feld bei 47,5 Jahren. Hinzu kommt eine hohe Arbeitslosenquote, die einen hohen Anteil an Transferleistungsbeziehern nach sich zieht. Mit diesen statistischen Werten sieht sich auch der Kooperationspartner des Quartiersmanagements im Milchweg, die Wohnungsgenossenschaft »Otto von Guericke«, konfrontiert und sucht nach Alternativen, die dazu beitragen können, Umzüge in Einrichtungen der Altenhilfe zu verzögern oder zu vermeiden.
Ausgehend von den Ergebnissen der Sozialraumanalyse war es Auftrag und Ziel des Quartiersmanagements, Angebotslücken neben den bestehenden Strukturen der offenen Altenarbeit, des Stadtteilmanagements und der infrastrukturellen Versorgung zu schließen. Beispielhaft dafür zu nennen sind Begegnungs-, Austausch- und Informationsgelegenheiten nach 17 Uhr, an Wochenenden und an Feiertagen, offene Begegnungsräume ohne die in Kursangeboten oder bestehenden Gruppen üblichen »Teilnahmeverpflichtungen« sowie ein sehr niedrigschwelliger Zugang zu Beratungsangeboten, sozusagen in »Hausschuhnähe« und bei einer Tasse Kaffee. Dreh- und Angelpunkt ist dafür der Treffpunkt Wohncafé.
Anders als bei klassischen Quartiersmanagementprojekten beispielsweise im Programm der Sozialen Stadt ist die Zielgruppe bei diesem Projekt auf die Senioren begrenzt. Dabei kann eine große Vielfalt ausgemacht werden:
hochbetagte, hilfe- und pflegebedürftige Personen, die Angebote wie Mittagstisch und Sonntagscafé als Unterstützung und Versorgung in ihrem Alltag wahrnehmen und somit ausschließlich Nutzer sind;
Personen, die aufgrund psychischer Erkrankung Schwierigkeiten in der eigenen Lebensführung haben und die Angebote des Treffpunktes Wohncafé zur Tagesstrukturierung nutzen;
Senioren, die ihre Partner verloren haben oder die auf der Suche nach Engagement-Möglichkeiten sind und sich im Rahmen der Monatsangebote mit ihren Ideen und Vorstellungen selbstbestimmt einbringen und zu Akteuren im Quartier werden.
Ein weiterer Unterschied zu anderen Angeboten der offenen Altenhilfe und aus unserer Sicht wichtiges Alleinstellungsmerkmal unseres Projekts besteht in der örtlichen Einbindung in ein Wohnhaus, es befindet sich also nicht in einem eigenen Gebäude und ist auch nicht in eine explizite Seniorenwohnanlage eingegliedert, in der eine Altersgruppe dominiert. So entsteht Normalität und niedrigschwellige Zugänglichkeit. Diese Niedrigschwelligkeit bezieht sich auch auf das Beratungsspektrum: Die Quartiersmanagerin steht erst einmal für jede Anfrage zur Verfügung und vermittelt dann gegebenenfalls an die zuständigen Stellen weiter. Möglich wird das auch durch das in Magdeburg entstehende und immer besser arbeitende »Netzwerk Gute Pflege«.
Das größte Pfund in der Arbeit des Quartiersmanagements ist das Freiwilligenmanagement. Circa fünfzehn Personen unterschiedlichen Alters unterstützen die Angebote des Treffpunkts Wohncafé. Sie backen Kuchen, kochen für den Mittagstisch, engagieren sich beim Retten von Lebensmitteln und stellen diese dann im Quartier zur Verfügung. Sie organisieren Silvesterfeiern, Flohmärkte etc. Ihre Ideen beleben die Gemeinschaft, ihre Tatkraft entlastet die Quartiersmanagerin, die im Rahmen einer 75%-Stelle den Fokus ihrer Arbeit auf Beratung, Organisatorisch-Konzeptionelles und auf die Öffentlichkeitsarbeit legt.
Nutzen der Quartiersarbeit für Wohnungswirtschaft und sozialen Dienstleister
2017 führte das Quartiersmanagement eine Wirkungsanalyse zur bisherigen Arbeit durch und befragte Stakeholder aus Kommune, Stadtteil und Wohnungswirtschaft ebenso wie die Nutzer. Aus Sicht der Wohnungswirtschaft verbesserte sich seit Bestehen des Quartiersmanagements im Milchweg vor allem die Mieterzufriedenheit spürbar. Im unternehmenseigenen Sozialmanagement kamen weniger Beschwerden zum Zusammenleben im Hochhaus zur Sprache, viele Anliegen konnten bereits vor Ort durch das und mit dem Quartiersmanagement geklärt werden. Vereinsamungstendenzen oder Hilfebedarfe einzelner Mieter konnten durch die Anwesenheit des Quartiersmanagements frühzeitig erkannt und gemeinsam mit dem Sozialmanagement niedrigschwellig in Hilfe- und Unterstützungsstrukturen überführt werden. Auch konnten durch die Expertise des Quartiersmanagements und der Pfeifferschen Stiftungen als sozialem Dienstleister Innovationen im Wohngebäude wie die barrierefreie Zuwegung durch Automatiktüren oder der Umbau von Wohneinheiten zu barrierearmen, pflegegerechten Wohnungen erreicht werden.
Fazit
Menschen sind soziale Wesen, sie brauchen Gemeinschaft. Mit dem Treffpunkt Wohncafé und den Angeboten des Quartiersmanagements Milchweg konnten in den vergangenen drei Jahren Strukturen geschaffen werden, die Begegnung und Gemeinschaft ermöglichen: Ob beim montäglichen Kaffeeklatsch, im Rahmen von Sportangeboten oder beim Mittagstisch. Fragt man die Nutzer, benennen sie besonders die Gemeinschaft und das entstandene Wir-Gefühl als Grund für ihr Kommen. Dies soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch immer wieder zu Konfliktsituationen kommt, welche dann die kommunikativen und moderierenden Kompetenzen der Quartiersmanagerin benötigen.
Die Menschen, die regelmäßig in den Treffpunkt Wohncafé kommen, haben Vertrauen in das Angebot gefasst. Dieses Vertrauen ist der Türöffner für zukünftige Beratungssituationen auch bei auftretendem Hilfe- oder gar Pflegebedarf und kann für den sozialen Dienstleister im Quartier, die Pfeifferschen Stiftungen, nicht hoch genug geschätzt werden.