Sozialpolitischer Beitrag zum Themenheft
“Altern — Befürchtungen und Hoffnungen im Dialog zwischen Jung und Alt ”
Frank Schulz-Nieswandt:
Zur Bedeutung der Psychodynamik für die Sozialpolitik des Alter(n)s in Forschung und reflexiver Praxis (Abstract) (PDF)
Die Sozialpolitikforschung handelt von sozialen Problemen und ihrer gesellschaftlichen Bewältigung im Lichte der personalen Würde und der Werte der Selbstbestimmung, Selbstständigkeit und Teilhabe. Doch weder die Probleme selbst noch die Wege zu ihrer Bewältigung können ohne ein tiefenpsychologisches Verstehen des Individuums im Kontext der Kultur des sozialen Zusammenlebens angemessen begriffen werden.
Auf der Grundlage der Verbindung sozialwissenschaftlichen und psychoanalytischen Denkens werden verschiedene Beispiele im Rekurs auf Affektmechanismen (u.a. die apotropäische Hygieneangst) angesprochen. Affekte der Angst und des Ekels als Strukturelemente des Habitus sind hierbei wirksam. Sie generieren animistisch inspirierte Praktiken sozialer Ausschließung. Das betrifft vor dem Hintergrund der Kritik an den Pflegeheimen als Wohnform im Alter z.B. soziale Innovationen wie die Idee der Sozialraumbildung. Dabei geht es um die Entwicklung inklusiver (also nicht sozial ausgrenzender) lokaler sorgender Gemeinschaften in der Kommune. Dies ist zu diskutieren z.B. im Fall von Menschen mit Demenz oder mit Behinderung. Ein anderes Beispiel sind die Probleme hospitalisierender klinischer Hygieneregulationen normalen Wohnens in Pflegeheimen.
On the importance of psychodynamics for the social politics of age(ing) in research and reflexive practice (English Abstract)
Social policy research is focused on analysis of social problems and the societal coping with such social problems from the normative-legal perspective of the anthropology of dignity and personhood and the value-orientation towards self-definition, self-management and participation as fundamental social rights. But it is impossible to understand adequately the emergence of social problems and the innovative pathways to give successful responses to the challenges without psychodynamic hermeneutics of the individuals in their context of cultural grammar of social relations. Added to different other research topics the paper is performing some examples in recourse to mechanism of apotropaic attitudes and apotropaic practices. Impressed by anxiety and disgust towards old age by imagination of animism, this mechanism will be responsible for a repressive and discriminatory hygiene regime. As examples such psychodynamic regimes will be highly relevant in the case of residential care institution of long-time nursing or in experiments of caring community-building on local levels of urban or rural regions, for example in the case of dementia or people with disabilities.