20. Jahrgang 2023, Heft 1: Eine Institution stellt sich vor

Andrea B. Horn:

Certificate of Advanced Studies (CAS) »Gerontologie heute: Besser verstehen, erfolgreich vermitteln, innovativ gestalten«

Ein gerontologisches Zertifikatsprogramm des Zentrums für Gerontologie an der Universität ZürichDie demografischen Veränderungen aufgrund steigender Lebenserwartung führen zu steigenden Aufgaben und Notwendigkeiten in allen gesellschaftlichen Belangen. Der Diskurs wird gesellschaftlich schon eine Weile geführt, dennoch bleiben viele Fragen offen: Wie finden wir einen guten Umgang der Generationen untereinander? Wie können wir würdig und inklusiv mit Menschen unterschiedlichen Alters umgehen? Wie können Lebensleistungen gewürdigt und negative Altersstereotype korrigiert und überwunden werden? Diese Fragen bilden den Kern aktueller Alternsforschung, deren Inhalte häufig aber nicht in der Praxis ankommen.

Der CAS »Gerontologie heute: Besser verstehen, erfolgreich vermitteln, innovativ gestalten« hat das Ziel, aktuelle alternswissenschaftliche Erkenntnisse in ihre Praxisfelder zu tragen, indem die Teilnehmenden als Multiplikator:innen ausgebildet werden. Der Weiterbildungsgang möchte nicht nur aktuelles Wissen vermitteln. Die Reflexion eigener Haltungen zum Alter sowie das Finden von Wegen und Techniken der Übertragung aktueller Alterswissenschaft in die eigene konzeptionelle und strategische Tätigkeit sind weitere Ziele dieser universitären Weiterbildung. Der Weiterbildungsgang »Gerontologie heute« wurde 2005 mit Prof. Mike Martin als Direktor und von Dipl. Psych. Frederike Geray am Zentrum für Gerontologie der Universität Zürich entwickelt; seit 2021 liegt die Studienleitung und konzeptionelle Weiterentwicklung bei Dr. Andrea B. Horn.

Zum Kontext

Das Zentrum für Gerontologie (ZfG) ist ein 1998 gegründetes interdisziplinäres und interfakultäres Kompetenzzentrum der Universität Zürich unter der Leitung von Prof. Mike Martin und Dr. Christina Röcke. Es erarbeitet wissenschaftliche Grundlagen für ein Altern mit guter Lebensqualität und strebt zu diesem Zweck die interdisziplinäre Vernetzung von Forschung und Lehre auf allen Gebieten der Alterswissenschaften an. Das Zentrum sensibilisiert Wirtschaft, Politik, Kultur, Kirche und Öffentlichkeit für gerontologische Fragen und fördert die Zusammenarbeit und Verständigung zwischen Forschenden, älteren Menschen selbst und in der praktischen Altersarbeit Tätigen. Das Zentrum für Gerontologie ist mittlerweile Teil des neu gegründeten »Healthy Longevity Centers« der Universität Zürich, das Bemühungen bündelt und Räume der Begegnung aufmacht, die dazu beitragen sollen, innovative Entwicklungen zur Erhaltung der funktionalen Fähigkeit und Lebensqualität im Alter zu verstehen und zu fördern. Dem Zentrum für Gerontologie angeschlossen ist eine psychologische Beratungsstelle »Leben im Alter« (LiA) (Ugolini u. Boothe 2008), die unter der Leitung von Dr. Dipl.-Psych. Bettina Ugolini psychologische Beratung zu Alternsfragen in unterschiedlichen Settings (Einzel, Gruppe, Pflegeteams, Angehörige) sowie einen eigenen CAS-Studiengang »Beratungskompetenz zum Leben im Alter« anbietet, der theoretische und anwendungsorientiert Fachexpertise für die Beratung alter Menschen vermittelt.

Gerontologie heute: Weiterbildung von Multiplikator:innen

Der kompakte, einsemestrige Zertifikatslehrgang »Gerontologie heute: Besser verstehen, erfolgreich vermitteln, innovativ gestalten« ist in mehrfacher Hinsicht einer multidisziplinären Perspektive verpflichtet: Nicht nur die Dozierenden vertreten verschiedene disziplinäre Perspektiven und Inhalte der gerontologischen Forschung, sondern auch die Teilnehmenden kommen aus unterschiedlichen Fachbereichen. Neben Psycholog:innen spricht der Weiterbildungslehrgang Personen mit unterschiedlichen akademischen Erstqualifikationen an, die im Altersbereich arbeiten. Aus dem klinischen Bereich sind das Psychotherapeut:innen und Neurospsycholog:innen sowie Ärzt:innen aus der Geriatrie oder anderen Fachrichtungen. Daneben sind Personen mit Planungs- und Führungsaufgaben angesprochen, die im Alternsbereich arbeiten, genauso wie strategisch und politisch tätige Personen in sozialen Institutionen, Kommunen sowie in der Kirche. Mittlerweile empfehlen viele Arbeitgeber:innen in der Schweiz, dass diese Weiterbildung besucht wird, wenn Führungs- und Planungsaufgaben im Bereich der Altersversorgung angetreten werden, ohne dass inhaltliche Vorerfahrung im Alternsbereich vorliegt. Insgesamt wird der Weiterbildungsgang von Teilnehmenden aus der Schweiz, Deutschland und Österreich besucht, pro Jahrgang können bis zu 22 Teilnehmende aufgenommen werden. Die Pauschalkosten für die Teilnahme betragen 6.800 CHF.

Das Ziel des CAS ist die Eröffnung eines sicheren Raums für Austausch und Lernen, der einen Brückenschlag zwischen Konzepten und Forschungserkenntnissen und den Anforderungen des praktischen Handelns erlaubt. Dieser Austausch soll auf Augenhöhe stattfinden, Expert:innen der Forschung lernen genauso viel von den Expert:innen aus der Praxis wie umgekehrt. Dabei erweist sich die Diskussion über Konzepte und Befunde des Alterns jeweils auch als eine Form von Selbsterfahrung – die oft wenig rational durchdrungenen eigenen Altersbilder werden dabei bewusst gemacht und gegebenenfalls modifiziert.

Konkret stehen als Lernziele die Erweiterung und Aktualisierung gerontologischen Fachwissens auf universitärem Niveau im Vordergrund. Dafür gibt es jeweils Präsenztage mit Expert:innen aus den Bereichen Gerontopsychologie, Soziologie und Soziodemografie, Geriatrie, Gerontopsychiatrie und klinische Gerontopsychologie, palliative care, Gesundheitspsychologie, Biografiearbeit, Digitalisierung, gerontologische Innovation und alltagsnahe Interventionen. Wichtige Vertreter:innen des Felds wie beispielsweise Prof. Brigitte Boothe, Prof. François Höpflinger, Prof. Roland Kunz, Prof. Thomas Widmer und Prof. Hans-Werner Wahl sind dem CAS in den letzten Jahren als Dozierende verbunden und garantieren spannende Einblicke in aktuelle Entwicklungen der Forschung. Die Gesamtkonzeption zielt darauf ab, wissenschaftliche Erkenntnisse zu Problemen und Störungen im Alternskontext zu vermitteln und damit das Verhalten der Praktiker:innen zu professionalisieren, ohne es zu einer asymmetrischen, defizitüberbetonenden Sichtweise des Alterns kommen zu lassen. Das WHO-Modell des gesunden Alterns ist dabei ein hilfreicher Rahmen, auch das Thema ageism und dessen Bedeutung werden behandelt. Es werden Fachpersonen aus der Alterspolitik auf der Ebene der Kommunen, Kantone und des Bundes eingeladen, um Einblick in die Entwicklung von Altersstrategien zu geben und mit den Teilnehmenden zu diskutieren. Weiterhin gibt es Eingaben zu Teilhabe und partizipativen Techniken im Altersbereich und Grundhaltungen der Evaluation, um auch hier zu professionalisieren und die Überprüfung eigener Maßnahmen zu ermöglichen. Um die Rolle der Teilnehmenden als Multiplikator:innen zu stärken, gibt es zudem ein Coaching durch eine ausgewiesene Journalistin, um für die Darstellung von Alter in den Medien und für eigene Pressearbeit zu Altersfragen zu sensibilisieren. Dies geschieht mit dem Ziel, eigene Kommunikations- und Vernetzungskompetenzen zu fördern.

Der Zertifikatslehrgang wird abgeschlossen mit einer Arbeit, in der die im CAS unterrichteten Konzepte und Befunde auf das eigene praktische Handeln übertragen werden. Die Teilnehmenden werden ermuntert, Projekte zu entwickeln, die alternswissenschaftlich informiert in ihrem jeweiligen Tätigkeitsfeld umgesetzt werden können und die Umsetzung der eigenen Multiplikator:innenrolle konkretisieren. Die Entwicklung dieses Projekts wird über den Zertifikatslehrgang hinweg durch eine Jury unter dem Vorsitz von Prof. Martin begleitet, was den Austausch zwischen Teilnehmenden und Expert:innen vertieft und individualisiert. Die bisherigen Abschlussarbeiten spiegeln die Vielfalt der beruflichen und fachlichen Hintergründe der Teilnehmenden wider (Internetlinks siehe unten).

Bei der Begrüßung der jeweiligen Jahrgänge starten wir mit einem Zitat von Baltes u. Baltes (1992, 2f.), welches das Anliegen des Zertifikatslehrgangs »Gerontologie heute« treffend zusammenfasst:

»Gerontologie ist für viele ihrer Vertreter Wissenschaft und Praxis zugleich. Es geht bei dieser Grundorientierung nicht nur darum, die gegenwärtige Realität des Alters und des Alterns zu beschreiben und analytisch aufzuarbeiten, sondern auch Möglichkeiten und Erscheinungsformen zu erkunden, die über die gegenwärtige Realität des Alters und des Alterns hinausgehen.«

Literatur

Baltes PB, Baltes MM (1992) Gerontologie: Begriff, Herausforderung und Brennpunkte. In: Baltes PB, Mittelstraß J (Hg) Zukunft des Alterns und gesellschaftliche Entwicklung. Berlin/New York (de Gruyter) 1–34.

Ugolini B, Boothe B (2008) Die psychologische Beratungsstelle LiA – Leben im Alter am Zentrum für Gerontologie der Universität Zürich. Psychotherapie im Alter 5(1): 97–101.

Internetlinks mit mehr Informationen zum Weiterbildungsgang

https://www.zfg.uzh.ch/de/weiterbild.html

Projektarbeiten früherer Jahrgänge:

https://www.zfg.uzh.ch/de/weiterbild/projektarbeiten.html