20. Jahrgang 2023, Heft 2: Eine Institution stellt sich vor

Alexandra Wuttke & Andreas Fellgiebel:

An der Schwelle von Wissenschaft und Praxis 215 Das Zentrum für psychische Gesundheit im Alter (ZpGA)

Das Zentrum für psychische Gesundheit im Alter (ZpGA) in Mainz ist ein interdisziplinäres Netzwerk für Präventionsforschung und innovative Versorgungsmodelle. Es wurde 2018 vom Landeskrankenhaus (AöR) in Kooperation mit der Universitätsmedizin Mainz gegründet.

Zu den Zielen des ZpGA gehören die Stärkung der präventiven Medizin sowie die wissenschaftliche Evaluation und Implementierung innovativer Versorgungsmodelle für ältere Menschen mit psychischen Erkrankungen in Rheinland-Pfalz. Dazu zählen a) die Verbesserung des Verständnisses für Mechanismen der Resilienz gegenüber psychischen Erkrankungen älterer Menschen, b) die Entwicklung effektiver Interventionen zur Stärkung der Resilienz und Prävention psychischer Störungen bei älteren Menschen sowie c) die Implementierung innovativer Versorgungskonzepte in die Regelversorgung.

Zum Erreichen dieser Ziele werden am ZpGA drittmittelfinanzierte Forschungsprojekte durchgeführt. Darüber hinaus hat das ZpGA gleichzeitig ein Portfolio an Fortbildungsveranstaltungen für verschiedene Zielgruppen aus Forschung, Klinik und Praxis etabliert, um die Sensibilisierung für das Thema psychische Gesundheit im Alter zu fördern.

Forschungsprojekte am ZpGA

Im ZpGA beschäftigt sich ein multiprofessionelles Team mit Fragen der spät-translationalen klinischen Forschung sowie Versorgungsforschung. Dabei liegt ein besonderer Fokus auf Menschen mit Demenz und deren pflegenden Angehörigen. Es sollen Versorgungsangebote entwickelt werden, die alltagsnah ansetzen und es ermöglichen, die Versorgung in der Häuslichkeit möglichst lange aufrechtzuerhalten. Dazu gehört neben einem frühen Zugang zu Diagnostik und leitliniengerechten Behandlungsverfahren auch, Behandlungsansätze und -rahmen so zu gestalten, dass sie – patientenzentriert, multiprofessionell, sektorenübergreifend – besser auf die Bedürfnisse älterer Menschen zugeschnitten sind.

DemStepCare vereint genau diese Zielsetzungen, indem das Projekt einen klaren Fokus auf Aufrechterhaltung der häuslichen Versorgungssituation – auch und vor allem in Krisen – setzt. Dabei werden pflegende Angehörige direkt in die Versorgungsinnovation miteinbezogen (siehe auch Geschke et al. 2020; 2021; 2023).

Die Untersuchung von biopsychologischen Mechanismen von Stress und Resilienz bei Menschen mit Demenz und ihren pflegenden Angehörigen steht im Fokus weiterer Projekte am ZpGA. Die gemeinsame Methode der Projekte ist dabei die Erfassung von biopsychologischen Stressmarkern direkt im Alltag von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen, unter Berücksichtigung eines dyadischen Ansatzes, in dem interpersonelle Prozesse zwischen Menschen mit Demenz und ihren pflegenden Angehörigen eine besondere Aufmerksamkeit bekommen. Die Integration physiologischer Stressmarker ermöglicht es dabei, die Perspektive der Menschen mit Demenz direkt mit einzubeziehen, denn gerade bei ihnen zeigt sich eine große Diskrepanz zwischen subjektivem Stresserleben und physiologischen Stressprozessen (z.B. Wuttke-Linnemann et al. 2022). Aber auch die pflegenden Angehörigen sind physiologisch stark belastet, was nicht immer der subjektiven Wahrnehmung zugänglich ist. Dieses Wissen über differenzielle Stressbelastungen ist notwendig, um gezielt Interventionen für Menschen mit Demenz und ihre pflegenden Angehörigen abzuleiten, die es ermöglichen, Stress zu reduzieren sowie Ressourcen und Resilienz zu fördern.

Auf diesen Befunden aufbauend hat das ZpGA zusammen mit dem Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) den Fragebogen zur Angehörigen-Resilienz und Belastung (FARBE) entwickelt (Wuttke-Linnemann et al. 2020; 2021). Ziel des Fragebogens ist eine frühzeitige Identifikation pflegender Angehöriger mit einem erhöhten Risiko für negative Gesundheitsfolgen durch die Pflege. Das Besondere an dem Fragebogen ist, dass Resilienz (Ressourcen und Stärken) und Belastungen (Stressfaktoren) zueinander in Beziehung gesetzt werden und pflegende Angehörige dies visualisiert zurückgemeldet bekommen. Dabei können aus dem individuellen Profil des FARBE-Fragebogens konkrete Handlungsempfehlungen und Interventionen für eine individualisierte Beratung abgeleitet werden.

Schulungs- und Fortbildungsveranstaltungen

Das ZpGA verfolgt als weiteres Ziel, in der (Fach-)Öffentlichkeit für das Thema psychische Gesundheit im Alter zu sensibilisieren und somit auch einen Transfer von Wissenschaftserkenntnissen in den (klinischen) Alltag zu fördern. Ein Baustein dazu sind niedrigschwellige und nachhaltige Fortbildungs- und Schulungsveranstaltungen, die kostenlos und online zugänglich sind. Zudem befinden sich Schulungsmaterialen und Videomitschnitte im Media Center des ZpGA und sind für alle frei verfügbar und zugänglich. Die bislang größte Veranstaltung des ZpGA stellt der Fachtag Resilienz in der Pflege dar, an dem 2021 über 500 Anmeldungen vorlagen. Hauptteil der Veranstaltung war eine Podiumsdiskussion mit Vertreter:innen aus Gesundheitspolitik, Wissenschaft und Versorgung, in der beleuchtet wurde, was für eine positive Weiterentwicklung der professionellen und informellen Pflege notwendig ist. Darüber hinaus hat das ZpGA begleitend zum Innovationsfondsprojekt DemStepCare die digitale Fortbildungsreihe Take News angeboten, in der einmal monatlich verschiedene Themen aus dem Bereich Demenz und Geriatrie für ein Fachpublikum aufbereitet wurden. Auf den positiven Erfahrungen dieser digitalen Reihe aufbauend, hat das ZpGA in Kooperation mit der Landeszentrale für Gesundheitsförderung Rheinland-Pfalz eine Lunchmeeting-Reihe zum Thema Depression 2022 durchgeführt, die ebenfalls auf große positive Resonanz stieß. Somit werden verschiedene Themen, Formate und verschiedene Zielgruppen bedient, die von interessierten Laien über Betroffene bis hin zu Wissenschaftler:innen und Kliniker:innen reichen. Leichter Zugang und nachhaltige Nutzung der Materialien sind dabei wichtige Prinzipien.

Fazit und Ausblick

Die Forschungsschwerpunkte des ZpGA vereint die Annahme, dass die Stärkung der Resilienz und die Reduktion von Stress im Alltag zentrale Mechanismen in der Prävention psychischer Erkrankungen älterer Menschen darstellen. Gerade für Menschen mit Demenz und deren pflegende Angehörige ist es dringend vonnöten, durch innovative Versorgungsmodelle die Versorgungssituation in der Häuslichkeit zu stabilisieren und pflegende Angehörige frühzeitig auf Warnzeichen erhöhter Belastung aufmerksam zu machen. Gleichzeitig ist es wichtig, auch das Behandlungsumfeld für diese Themen zu sensibilisieren und durch Fort- und Weiterbildung qualifiziertes Wissen im Bereich der Gerontopsychologie und Gerontopsychiatrie zu vermitteln und weiter zu verankern.

Literatur

Geschke K, Wangler J, Wuttke-Linnemann A, Jansky M, Fellgiebel A (2021) Unterstützung für Hausärzte und Betroffene: Optimierte ambulante Demenzversorgung im Rheinland-Pfälzischen Innovationsfonds-Projekt DemStepCare. Zeitschrift für Allgemeinmedizin (ZFA) 97(3): 120–124.

Geschke K, Wuttke-Linnemann A, Fellgiebel A (2020) Pflegende Angehörige im Fokus. Neurotransmitter 31(7–8): 24–27.

Geschke K, Fellgiebel A, Wuttke A (2023) Ein Hausarztbasiertes multiprofessionelles bedarfsgerechtes Versorgungskonzept für Menschen mit Demenz und deren Angehörigen – Das Innovationsfonds-Projekt DemStepCare. Psychotherapie im Alter 20(2): XXX.

Wuttke-Linnemann A, Henrici C, Skoluda N, Nater UM, Endres K, Fellgiebel A (2022) Psychobiological monitoring of a home-based dyadic intervention for people with dementia and their caregivers – added value to evaluate treatment success and understand underlying mechanisms. Journal of Alzheimer’s Disease. 10.3233/JAD-210618. Advance online publication.

Wuttke-Linnemann A, Halsband CA, Fellgiebel A (2020) Fragebogen zur Angehörigen-Resilienz und -Belastung (FARBE). Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP): Berlin.

Wuttke-Linnemann A, Palm S, Scholz L, Geschke K, Fellgiebel A (2021) Introduction and Psychometric Validation of the Resilience and Strain Questionnaire (ResQ-Care)— A Scale on the Ratio of Informal Caregivers’ Resilience and Stress Factors. Frontiers in Psychiatry 12: Article 778633.