20. Jahrgang 2023, Heft 4: Eine Institution stellt sich vor

Andreas Fellgiebel (Mainz, Darmstadt)

Behandlungsschwerpunkt: Kognitive und affektive Störungen bei älteren Menschen in der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Elisabethenstift Darmstadt

Das ELISABETHENSTIFT in Darmstadt gehört zur AGAPLESION gAG, einem führenden Gesundheits- und Pflegedienstleister in Deutschland mit christlich-diakonischer Ausrichtung. Die Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie ist psychiatrischer Pflichtversorger für Darmstadt und verfügt über sechs Behandlungsstationen (darunter Suchtstation, Psychotherapiestation, Gerontopsychiatrische Station, Station mit dem Schwerpunkt chronische Depression), zwei Tageskliniken sowie eine große Psychiatrische Institutsambulanz, an die eine Gedächtnisambulanz angegliedert ist.

Die bedarfsgerechte psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung älterer Menschen stellt eine zunehmende Herausforderung dar für Medizin und Gesellschaft. Demenz und Depression sind hier die häufigsten psychischen Erkrankungen. Menschen mit beginnender Demenz und ihre Lebenspartner:innen/Angehörige sind oft hilflos, ratlos, überfordert. Ebenso sind auf Seite der Versorger:innen die Hausärzt:innen, Fachärzt:innen und Krankenhäuser sowie Städte und Kommunen bezüglich ihrer »Versorgungsaufträge« bei Menschen mit Demenz gleichsam oft hilflos, ratlos, überfordert.

Eine frühe Diagnostik der demenziellen Entwicklung eröffnet ein wichtiges Zeitfenster für frühe Therapie und Beratung, zur dyadischen Stressmodulation, zur Prävention oder Behandlung reaktiver depressiver Entwicklungen bei Patient:innen und Angehörigen, zur Stärkung der Partnerschaft und zur Verbesserung von Lebensqualität und Lebensperspektive. Allerdings haben ältere Menschen mit Depression oder Angststörung wenig Aussicht auf einen Therapieplatz zur ambulanten Psychotherapie, auch in stationären Behandlungen steht oft eine medikamentöse Behandlung im Vordergrund. Dabei gibt es genügend empirische Evidenz für die Effektivität einer an die Bedingungen des Alters angepassten Psychotherapie, die mit den häufigen Themen der alternden Patient:innen vertraut ist und diese entsprechend adressieren kann. Ältere Menschen sind zudem gegenüber einer psychotherapeutischen Behandlung heute wesentlich aufgeschlossener als noch vor 20 Jahren.

Um die Versorgung in diesen Bereichen weiterzuentwickeln, hat die Klinik seit 2020 einen Schwerpunkt für ältere Patient:innen mit affektiven und/oder kognitiven Störungen gebildet.

In der Tagesklinik für psychische Gesundheit im Alter wurde konsekutiv ein psychotherapeutisch geleitetes, multiprofessionelles Behandlungskonzept etabliert, das auf der Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT) fußt. Hier werden schwerpunktmäßig ältere Patient:innen mit depressiven Syndromen behandelt. Das genaue Rational und konkrete Vorgehen beschreiben Bleck u. Debus (2023) in diesem Themenheft.

Stationär ist ein Intensivbereich für Menschen mit schwerer Demenz im Aufbau, welcher auf das Konzept der Selbsterhaltungstherapie (SET, nach Frau Dr. Romero) ausgerichtet ist (Romero 2004). Wichtige Grundsätze dieses Konzeptes sind die Ressourcen-Orientierung, die Adaption der Umgebung und der Kommunikation an die veränderten Fähigkeiten der Menschen mit Demenz und die primäre Einbeziehung der pflegenden Angehörigen. Des Weiteren wird im stationären Bereich auch Trauma-fokussierte Psychotherapie mit EMDR für ältere traumatisierte oder re-traumatisierte Patient:innen angeboten. Die Rolle von Depressionen als Traumafolge im Alter beschreibt Orwat-Fischer (2023) in diesem Themenheft.

Ambulant führen wir in der Gedächtnisambulanz Frühdiagnostik und frühe Therapie durch, auch mit einem sekundär-präventiven und dyadischen Ansatz. Routinemäßig werden Lebenspartner:innen/Angehörige bzgl. individueller Belastung und Resilienz mit untersucht und bedarfsgerecht psychologisch-psychotherapeutisch beraten oder begleitet. Aufgrund unserer dyadischen Perspektive wird eine ambulante psychotherapeutische Gruppe für Menschen mit beginnender Demenz und ihre Lebenspartner:innen/Angehörigen angeboten. Ziel dieser ambulanten Gruppe ist die Schonung der Beziehung zueinander, um das Gelingen einer gemeinsamen Bewältigung der demenzbedingten Veränderungen des Alltags zu fördern. Geplant sind zudem die Etablierung ambulanter psychotherapeutischer Behandlungsangebote für ältere Menschen sowie eine Pflegeexpert:innen-/Casemanagement-basierte, aufsuchende Behandlung für Menschen mit Demenz und ihre Versorger:innen nach einem modifizierten Konzept des durchgeführten Innovationsfonds-Projektes DemStepCare (Geschke et al. 2023).

Literatur

Bleck K, Debus A (2023) Akzeptanz- und Commitmenttherapie als wertvolle Ergänzung der kognitiven Verhaltenstherapie bei älteren Patient:innen mit depressivem Syndrom. Psychotherapie im Alter 20(4): XXX–XXX.

Geschke K, Fellgiebel A, Wuttke A (2023) Ein hausärztlich basiertes multiprofessionelles bedarfsgerechtes Versorgungskonzept für Menschen mit Demenz und deren Angehörigen – Einblicke in das Innovationsfondsprojekt DemStepCare. Psychotherapie im Alter 20(2): 143–156.

Orwat-Fischer A (2023) Depression als Traumafolge im Alter. Psychotherapie im Alter 20(4): XXX–XXX.

Romero B (2004) Selbsterhaltungstherapie. Konzept, klinische Praxis und bisherige Ergebnisse. Zeitschrift für Gerontopsychologie & -psychiatrie 17 (2): 119–134. https://doi.org/10.1024/1011-6877.17.2.119

Kontakt

Prof. Dr. Andreas Fellgiebel
AGAPLESION ELISABETHENSTIFT
Akademisches Lehrkrankenhaus Darmstadt
Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie
Landgraf-Georg-Str. 100
64287 Darmstadt
E-Mail: Andreas.Fellgiebel@agaplesion.de