»Altersfeindlichkeit in meiner inneren und äußeren Welt«

lautete das Thema des Symposiums »Psychoanalyse und Alter«, das im Dezember 2023 in Kassel stattfand. Die Beiträge des Symposiums sind in diesem Heft versammelt.

Die Konfrontation mit den feindlichen, angreifenden und destruktiven Tendenzen im Alter, die sowohl von innen und außen als auch zusammen wirken, könnte zunächst unangenehme Gefühle hervorrufen, mag Skepsis und Abkehr provozieren, weil damit das Negative in den Blick gerückt wird. Zumal die Hinwendung zum Alter, zu Verletzlichkeit und Schwäche bis hin zu Siechtum und Tod keine menschlich-intuitive Selbstverständlichkeit ist, sondern Ergebnis einer evolutionären und kulturellen Entwicklung. Daher ist es unverzichtbar und notwendig, auch diesen Teil der Alterserfahrung ins Auge zu fassen. Die Ursprünge und Folgen der inneren und äußeren Altersfeindlichkeit zu studieren, kann helfen, auch schmerzliche Realitäten zu tolerieren, und durch Einsicht und Vorsorge Leiden und Nöte abzuwenden, sich vorzubereiten und zu schützen. Es kann helfen, Schlimmeres zu verhüten und Möglichkeiten der Bewältigung und Wiederherstellung zu stärken sowie zunächst einmal nur begrenzt zu trauern oder zu resignieren.

In diesem Sinne gehen alle Beiträge zunächst von einer Bestandsaufnahme aus, münden aber auch in Überlegungen und Empfehlungen zu weiteren Entwicklungsmöglichkeiten.

Dies beginnt mit dem Übersichtsartikel von Eva-Marie Kessler aus der Perspektive empirischer Forschung: »Ageismus – ein häufiges, selten angefochtenes Phänomen« und setzt sich in weiteren Beiträgen fort: Udo Rauchfleisch berichtet über »Feindseligkeit gegenüber älteren Lesben, Schwulen und Bisexuellen«. Rolf D. Hirsch wirft im Beitrag »Ein alter Mensch wird misshandelt« die Frage auf, wie Gewalt gegen ältere Menschen verstanden und wie ihr entgegengewirkt werden kann, und Bertram von der Stein demonstriert »Altersfeindliche Architektur« in Wort und Bild. Rolf-Peter Warsitz geht in seinem Beitrag »Innere und äußere Feinde des Alterns« von eigenen gravierenden Krankheitserfahrungen aus, in deren Reflexion er die Bedeutung des von Johannes Kipp entwickelten Konzepts des tertiären Narzissmus im Alter herausarbeitet und im Hinblick auf klinische Fragen veranschaulicht. In Christiane Schraders Artikel »Körperlichkeit im Alter – Ersatzteile – Stürze« steht die »intrinsische Altersfeindlichkeit« des menschlichen Körpers im Zentrum, die an einem klinischen Beispiel verdeutlicht wird. Zum Verständnis derartiger Altersprozesse erläutert sie das Konzept des Körperbildes von Paul Schilder und dessen Bedeutung für die klinische Arbeit.

Für ihren Vortrag hatte Christiane Schrader einige Folien vorbereitet und wurde gleich von einem Kollegen auf eine Fehlleistung hingewiesen: Statt des Titels des Symposiums »Altersfeindlichkeit in meiner inneren und äußeren Welt« war auf der Folie zu lesen: »Altersfreundlichkeit in meiner inneren und äußeren Welt«. Die Vortragende war völlig überrascht und empfand es zugleich als unbedingt passend, angesichts des Negativen, des Feindseligen und Tödlichen die Freundlichkeit und Lebendigkeit nicht zu vergessen. Zumal die in ihrem Beitrag beschriebene Integrationsleistung darin bestehen kann, das zunächst als feindlich erlebte Ersatzteil in einen freundlichen Helfer des Körperlichen zu verwandeln.

Der Rückblick auf die letzten 20 Jahre Alterspsychotherapie in Deutschland im ersten Heft dieses Jahres (PiA 1/2024) hat zu einem Plädoyer für die empirische Forschung innerhalb der psychodynamischen Alterspsychotherapie geführt, und dieses Plädoyer hat wiederum zwei Repliken ausgelöst. Falls Sie – die Leserinnen und Leser – sich auch dazu äußern möchten, sehr gern! Leserbriefe zu diesem oder auch zu anderen Themen sind jederzeit willkommen!

Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre.

Kontakt

Dipl.-Psych. Christiane Schrader
Raabestr. 4
60431 Frankfurt
E-Mail: cschrader.infoalter@gmx.de


 

Christiane Schrader (Frankfurt) & Marie-Luise Hermann (Zürich): Editorial zum Themenheft
”Altersfeindlichkeit in meiner inneren und äußeren Welt”