2024 Heft 3: Eine Institution stellt sich vor

Ursula Weber & Sabine Seipp (Würzburg)

HALMA e.V. – die Beratungs-, Unterstützungs- und Vernetzungsstelle mit der Fachstelle für pflegende Angehörige stellt sich vor

Die Beratungs-, Unterstützungs- und Vernetzungsstelle HALMA e.V. entstand im Rahmen eines Bundesprojektes, das vom Gesundheitsministerium von Ende 1992 bis Mai 1996 gefördert wurde. Der Name bedeutet »Hilfen für alte Menschen im Alltag«. Im Juni 1996 ging das Projekt zum gleichnamigen Trägerverein über, der eigens für diesen Zweck gegründet wurde. Dafür haben sich die folgenden Träger der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege zusammengeschlossen: die Stadt Würzburg, die Arbeiterwohlfahrt, das Bayerische Rote Kreuz, der Caritasverband für Stadt und Landkreis Würzburg, das Diakonische Werk, der Paritätische Wohlfahrtsverband, die Alzheimer Gesellschaft für Würzburg/Unterfranken, der Stiftung Bürgerspital zum Hl. Kreuz, der Stiftung Juliusspital Würzburg sowie das Kommunalunternehmen des Landkreises Würzburg.

Gefördert wird die Einrichtung durch die Stadt Würzburg, den Bezirk Unterfranken, durch das Bayerische »Netzwerk Pflege« sowie die Pflegekassen. Hinzu kommen Mitgliedsbeiträge, Entgelte der Kranken- und Pflegekasse, Spenden sowie die Fördergelder weiterer Projekte.

HALMA e.V. beschäftigt aktuell zehn Mitarbeiterinnen, alle in Teilzeit in unterschiedlichem Stundenmaß. Das multiprofessionelle Team setzt sich aus einer Diplom-Pädagogin, einer Soziologin, einer gerontopsychiatrischen Fachpflegekraft, fünf Sozialpädagoginnen und drei Verwaltungskräften zusammen. Die fachärztliche Unterstützung erhalten die Mitarbeiterinnen über Ärzte des ZPG (Zentrums für psychische Gesundheit) Würzburg. Der vorliegende Beitrag konzentriert sich auf das grundlegende Aufgabenprofil; aktuelle Projekte können der Website (www.halmawuerzburg.de) entnommen werden.

Das Aufgabenprofil

Das Ziel von HALMA besteht darin, psychisch erkrankte ältere Menschen so lange wie möglich häuslich zu versorgen. Die Zielgruppe sind Menschen mit Demenzerkrankungen (Multi-Infarkt-Demenz, Morbus Alzheimer, Seltene Demenzerkrankungen) sowie Menschen mit depressiven und paranoiden Syndromen. Erreicht werden soll dieses Ziel durch die Vernetzung vorhandener Dienste und Einrichtungen der Altenhilfe und der Psychiatrie sowie, falls erforderlich, durch die gerontopsychiatrische Qualifizierung der Mitarbeitenden der beteiligten Einrichtungen in Form von Fallbesprechungen.

Mitarbeiterqualifikation und Vernetzung von Fachpflege, hauswirtschaftlicher Versorgung sowie relevanter Berufsgruppen wie Ärzte, Betreuer u.a. unter Einbeziehung von Laien (Angehörige und Helfer) waren seit Beginn ausschlaggebend zur Sicherstellung der Versorgung der Erkrankten im eigenen Zuhause.

Das Vorhaben erfordert ein umfassendes Aufgabenprofil, das als Zielvorgabe verstanden werden muss und im Wesentlichen aus folgenden Bereichen besteht:

–      Patientenbetreuung

–      Arbeit mit Angehörigen

–      Helferkreis

–      Fortbildung

–      Öffentlichkeits- und Gremienarbeit

–      Projektarbeit

Ergänzt werden muss die Finanzierung der Arbeit, die für alle Bereiche nach wie vor eine Rolle spielt.

Patientenbetreuung/Einzelfallarbeit

Die Patientenbetreuung von HALMA erfolgt nach einem dezentralen Hilfeansatz und in exemplarischen Fällen, da kein Versorgungsauftrag besteht. HALMA arbeitet mit dem Arbeitsansatz des Case Management, dessen Ziel es ist, durch Vermittlung und Koordinierung vorhandener Einrichtungen eine patientenorientierte Betreuung zu erreichen.

Ein Konzept der gerontopsychiatrischen Behandlungspflege für die bedürfnisorientierte Versorgung der Patienten wurde entwickelt. Für das Gelingen ist der Aufbau einer Vertrauensbasis Grundvoraussetzung. Zu Beginn erfolgt eine Einschätzung des individuellen Hilfebedarfes nach pflegerischen, hauswirtschaftlichen, medizinischen, sozialen und finanziellen Gesichtspunkten. Mittels gerontopsychiatrischer Pflegemaßnahmen wie Tagesstrukturierung, Orientierungshilfen in der Wohnung, verlässliche Bezugspersonen, medizinische Hilfen (z.B. Medikamentengabe) und deren Gestaltung wird die Eigenständigkeit der Patienten gefördert. Die Patienten erhalten eine äußere Struktur. Diese vermindert ihre Unsicherheit und Ängste, die durch krankheitsbedingte Störungen – z.B. Gedächtnis-, Orientierungs- und Merkfähigkeitsstörungen u.v.m. – hervorgerufen werden, und setzt Ressourcen der Patienten frei. Die erforderlichen Hilfen werden im Hilfeplan festgelegt. Die Umsetzung erfolgt im Verbund mit anderen, z.B. ambulante Dienste zur Verrichtung der Grundpflege, Ärzte für medizinische Behandlung oder Helfer zur Alltagsbegleitung.

Die Implementierung der Hilfsangebote richtet sich nach dem Rhythmus der Patienten, sie dürfen diese nicht überfordern. Deshalb umfasst die Umsetzung des Hilfeplans in einem ersten Schritt die Erarbeitung der Hilfeannahme beim Patienten und die Befähigung der Pflegepersonen im Umgang mit dem Patienten, also Qualifizierungsmaßnahmen im Einzelfall. Die Sicherung der Qualität, Koordination und Absprachen erfolgt durch regelmäßige Zielkontrollen und Rückmeldungen. Eine Langzeitbetreuung gewährleistet die Anpassung des Hilfeplanes an Veränderungen der Patienten und deren Hilfenetz.

Arbeit mit Angehörigen

80% der Pflegebedürftigen werden von Angehörigen oder ihrem sozialen Umfeld betreut. Mithilfe der Pflegeversicherung wurde Pflege sozialrechtlich abgesichert. Geld allein reicht aber nicht aus, um die Pflegebereitschaft zu erhalten. Die Arbeit mit Angehörigen gewann bei HALMA in den letzten Jahren zunehmende Bedeutung. Es wurden eine Reihe von Unterstützungsangeboten entwickelt, die sich gegenseitig ergänzen. Das folgende Fallbeispiel zeigt die Verknüpfung von Angehörigen- und Einzelfallarbeit.

Entlastungsgespräche mit Angehörigen werden im Rahmen der Patientenbetreuung und als psychosoziale Beratung durchgeführt. Die Gespräche vermitteln Informationen, begleiten und stützen die Familie emotional während der längerfristigen Begleitung. Die Beraterinnen unterstützen bei der Entscheidung für Hilfsangebote, wägen mit der Familie ab, welche Unterstützung in der jeweiligen Situation möglich und umsetzbar ist. Sie besprechen mit den Familien die Passgenauigkeit für das individuelle Setting. Sie organisieren und koordinieren praktische, zugehende Hilfen wie Vermittlung von Helfern oder Fachkräften in der häuslichen Umgebung. Die psychosoziale Begleitung von Angehörigen umfasst die telefonische, persönliche und online-Beratung sowie Hausbesuche, wenn erforderlich und möglich.

Pflegekurse unterstützen die Wissensvermittlung für Angehörige. Der Kurs »Hilfe beim Helfen« der Deutschen Alzheimer Gesellschaft vermittelt in acht Doppelstunden Wissen zu den Krankheitsbildern, gibt Hinweise zur Versorgungsstruktur und unterstützt die Entwicklung persönlicher Entlastungsstrategien. Aus den Kursen heraus entstanden die Angehörigengruppen, die sich regelmäßig treffen. Veränderte Pflegeanforderungen beeinflussen die regelmäßige Teilnahme. Das nachfolgende Fallbeispiel beschreibt die Arbeit mit den Angehörigen:

Herr M. nahm Kontakt auf zur Beratungsstelle HALMA e.V. in Würzburg. Seine Frau sei gestürzt, er benötige dringend Hilfe, er schaffe es nicht mehr, seine Frau zu versorgen. Nach mehreren Telefonaten erfolgte ein Hausbesuch, um die Situation des Ehepaares vor Ort in Augenschein zu nehmen. Frau M., ca. 80 Jahre alt, machte einen verwahrlosten Eindruck. Zwar komme eine Mitarbeiterin der Sozialstation vier Mal täglich zur Medikamentenabgabe und einmal zur Körperpflege, doch Frau M. verweigere sich und schreie die ganze Zeit. In der Wohnung selbst stand und lag überall etwas herum, z.B. ungeöffnete Briefe, viele Zettel mit Notizen und ungelesene Zeitungen.

Herr M., selbst pflegebedürftig mit Pflegegrad I, pflege seine Frau seit Jahren. Die Kontaktaufnahme mit den Kindern ergab, dass die Tochter bereits ihre Schwiegermutter pflegt, die Übernahme einer weiteren Pflege sei ihr nicht möglich. Der Sohn habe seine Unterstützungsversuche aufgegeben. Der Vater rufe zwar nach Hilfe, wenn es aber konkret werde, nehme er das Angebot nicht an.

Mit Erlaubnis des Vaters wurde ein Praktikant des ASD[1] des Kreiscaritasverbandes eingebunden. Er sortierte den Schriftwechsel, um auf diese Weise einen Überblick über die finanzielle Situation des pflegebedürftigen Ehepaares zu gewinnen. Der dringendste Wunsch des Ehemannes konnte somit erfüllt werden.

Eine gemeinsame Putzaktion mit den Kindern, dem Ehemann und der Fachkraft bildete die Grundlage, das häusliche Chaos abzubauen und gleichzeitig die Familienbande zu stärken. Darüber hinaus sollte ausgelotet werden, ob die Kinder künftig unterstützende Aufgaben übernehmen könnten. Die Beratung der Kinder im Nachgang trug dazu bei, die innerfamiliären Ressourcen abzuklären, z.B. ob der Sohn willens und fähig ist, sich auf die Erfordernisse der Eltern einzulassen oder ob eine amtliche Betreuung einzurichten ist. Die häusliche Situation offenbarte die Überforderung des Vaters, die schriftlichen Belange zu steuern. Beraten wurde zur Vorsorgevollmacht, zur amtlichen Betreuung, zu Leistungen der Pflegeversicherung, aber auch zu Entlastungsangeboten für den Vater.

Mit Erlaubnis des Vaters erfolgte die Kontaktaufnahme zum ambulanten Dienst, der die Behandlungspflege sowie die Körperpflege der Ehefrau übernahm. Hier sollte auch die Einschätzung der häuslichen Situation durch den Dienst eingeholt werden. In mehreren Telefonaten mit den Kindern wurde deutlich, dass sie nur einen Bruchteil der Lebenssituation der Eltern kannten. Mit der Unterstützung der Fachkollegin übernahm der Sohn mehr Verantwortung für die Mutter. Man wolle sich weiter bemühen, gemeinsam mit den Eltern eine Versorgung aufzubauen.

Folgendes Vorgehen wurde anvisiert: zunächst ein Besuch beim Neurologen/Psychiater, um ggfs. ein Medikament für die Mutter zum Abbau ihrer Ängste zu erhalten. Ferner wurden die drei Tagespflegebesuche pro Woche reduziert, da die Mutter hiervon offensichtlich überfordert war. Stattdessen kam stundenweise eine Alltagshelferin in die Wohnung, die sich mit der Mutter beschäftigte.

Um den Vater weiter zu entlasten, wollte sich der Sohn künftig um die finanziellen und schriftlichen Belange kümmern. Eine Reha-Maßnahme für den Vater mit paralleler Betreuung für die Mutter wurde mit dem Hausarzt abgesprochen.

Über die Fachkollegen der Wohnberatung fand ein erstes Beratungsgespräch statt, bei dem gemeinsame Möglichkeiten für ein altersgerechtes Wohnen besprochen wurden. Um die Wohnung Barriere-reduziert anzupassen, wurden Möbel umgestellt, Teppiche und Stolperfallen entfernt. Zur Erleichterung der Pflege wurde ein Badumbau geplant. Die bestehende Badewanne würde durch eine bodengleiche Dusche ersetzt, das Waschbecken unterfahrbar angebracht und die Toilette entsprechend erhöht.

Helferkreis

HALMA warb Helfer zur »Alltagsbegleitung« der Patienten und zur Entlastung der pflegenden Angehörigen. Diese geben im Einzelfall Hilfestellung zur Alltagsbewältigung und bilden eine Ergänzung zu den professionellen Diensten. Das Auswahlverfahren (Kennenlerngespräch, Teilnahme am ersten Helfergespräch) und die Vorbereitung der Helfer bis zu ihrem ersten Einsatz ist ein längerer Prozess. Dieser ermöglicht auch den engagierten Laien einen Entscheidungsspielraum. Denn die Arbeit mit den Patienten ist belastend und nicht jeder Helfer ist dafür geeignet. Sind Helfer im Einsatz, werden sie fachlich begleitet. Dies umfasst persönliche Gespräche zum Einzelfall, Gesprächskreise und Schulungen, deren Curriculum durch das bayerische Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention und das Landesamt für Pflege festgelegt ist.

In den letzten Jahren gewann die Vermittlung von Helferinnen zur Entlastung pflegender Angehöriger zunehmend an Bedeutung. Das bayerische Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention fördert den Aufbau von Helferkreisen als eine Möglichkeit, dem Personalnotstand in den Versorgungseinrichtungen zu begegnen.

Fortbildung

Die Fortbildung stellt ein weiteres Arbeitsfeld dar. Die Arbeit mit psychisch erkrankten älteren Menschen erfordert neue Wege in der Betreuung; diese lassen sich in Kleingruppen gut vermitteln. Kurse für max. 12 Personen für Angehörige, für Helfer, aber auch auf Wunsch für Mitarbeiter in Sozialstationen werden angeboten. Jährlich werden bis zu vier Kurse für engagierte Laien mit Anerkennung durch das Landesamt für Pflege durchgeführt; außerdem zwei bis drei Kurse für pflegende Angehörige gemäß des Konzeptes Hilfe beim Helfen.

Darüber hinaus organisiert HALMA in Zusammenarbeit mit dem ZPG der Universitätsklinik Würzburg sowie der örtlichen Alzheimer Gesellschaft Demenztage, eine Fortbildungsveranstaltung für Mediziner, Fachkräfte und Laien.

Seit 2022 werden Basispflegekurse für Angehörige und Interessierte in den Quartieren der Stadt Würzburg durchgeführt. Ziel ist es, ein Basiswissen zu allen Aspekten der Pflege zu vermitteln; auch das Thema Demenz ist ein Modul in diesem Kurs.

Öffentlichkeits- und Gremienarbeit

Ein weiteres Arbeitsgebiet von HALMA ist die Öffentlichkeits- und Gremienarbeit. Beides ist kontinuierlich erforderlich, um die Rahmenbedingungen der Arbeit langfristig zu sichern. Es muss immer wieder deutlich gemacht werden, dass gerontopsychiatrische Patienten ein Recht auf Hilfe haben, die nur durch gemeinsame Anstrengungen ermöglicht werden kann.

Gremienarbeit unterstützt die Vernetzung auf infrastruktureller Ebene. Sie fördert den Informationsaustausch über Leistungsprofile der Versorgungseinrichtungen und neuerer Entwicklungen in der Region. HALMA e.V. wirkt auf regionaler, Landes- und Bundesebene in unterschiedlichen Arbeitsgremien mit. Es geht darum, die Erfahrungen regional, landes- und bundesweit zugänglich zu machen. Zu diesen Gremien gehören die PSAG AG Gerontopsychiatrie, die AG Suizidprävention und Sozialpsychiatrie, die ARGE Senioren, der Ambulante Gerontopsychiatrische Verbund Bayern, das Bayerische Netzwerk Pflege, die Deutsche Alzheimer Gesellschaft, der Landesverband Bayern und die Fachstelle für Demenz und Pflege Unterfranken mit den Zugangswegen in die Bundesebene.

Projekte

Darüber hinaus führt HALMA Projekte durch, um die Arbeit im Feld der Gerontopsychiatrie voranzubringen.

–      Allianzen für Menschen mit Demenz: Demenz und Kultur – Teilhabe schaffen – Chor für Menschen mit Demenz, Round Table Demenz und Kultur

–      GESTALT – GET 10 – Primärprävention zur Demenz

–      Fachstelle für Demenz und Pflege Unterfranken – Teil der Bayerischen Demenzstrategie, die in jedem Regierungsbezirk eine solche Fachstelle vorsieht und die Bayerische Fachstelle zur Koordination der Arbeit

Detaillierte Informationen finden Sie unter www.halmawuerzburg.de

Kontakt

Beratungs-, Unterstützungs- und Vernetzungsstelle HALMA e.V.
Ursula Weber & Sabine Seipp
Bahnhofstr. 11
97070 Würzburg
Email: info@halmawuerzburg.de


[1] Allgemeiner Sozialdienst des Caritasverbandes.