2024 Heft 4: Eine Institution stellt sich vor
Sandra Nehrdich (Jena)
Universitätsklinikum Jena, Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Tagesklinik Psychotherapie des Alters
Die Tagesklinik für Psychotherapie des Alters ist ein Kooperationsprojekt zwischen dem Universitätsklinikum Jena und Aktion Wandlungswelten e.V. (AWW). AWW als Partner ist ein regionaler Verein, der unterschiedlichste Hilfeformen für die Beratung und Betreuung von Menschen mit psychischen Erkrankungen und seelischen Krisen anbietet. Die Kooperation eröffnet verschiedene Gestaltungsräume. Das bedeutet, dass in der Tagesklinik Wert auf ein »unmedizinisches« Ambiente gelegt werden kann. Um genau zu sein, trägt das Personal keine Dienstkleidung, entsprechend wird u.a. auch auf den »weißen Kittel« der ärztlichen KollegInnen verzichtet. Die Einrichtung der Tagesklinik ist möglichst wohnzimmerähnlich und gemütlich gehalten. So haben wir im Eingangsbereich ein Aquarium stehen. Außerdem gibt es die Möglichkeit für die Patientinnen und Patienten, sich in der Mittagspause z.B. in die »gute Stube« oder im Sommer auf die Hollywoodschaukel zurückzuziehen. Für sportliche Aktivitäten in den Pausen gibt es eine Tischtennisplatte, welche von den Patientinnen und Patienten sehr gern und regelmäßig genutzt wird. Neben einem Ergotherapieraum haben wir auch eine voll ausgestattete Werkstatt für kreative Aktivitäten eingerichtet. Außerdem lädt die Lage der Tagesklinik zu selbstständigen Spaziergängen in der Mittagspause ein. Damit ist die Atmosphäre im Haus relativ gemütlich. Trotz dessen wird hier intensiv therapeutisch gearbeitet.
Wir eröffneten im Januar 2007 als erste gerontopsychiatrische Tagesklinik Thüringens. Damals gab es 15 Patientenplätze und acht MitarbeitInnen. Mit Blick auf den demografischen Wandel ist es nicht überraschend, dass der Bedarf an tagesklinischen Plätzen zunehmend stieg. Daher erweiterten wir im Juli 2019 unsere Kapazitäten auf 25 Behandlungsplätze und die Tagesklinik wurde Teil der neu etablierten Psychosomatischen Klinik am Klinikum. Damit hat sich auch das PatientInnenklientel vom eher klassisch älteren gerontopsychiatrischen zu vornehmlich den »jungen Alten« hin verändert, die häufig an der Schwelle vom Berufsleben in die Rentenphase stehen. Durch die verbesserte körperliche Gesundheit ist gerade diese Lebensphase für viele Menschen inhaltlich zu füllen und nicht selten mit Ängsten und Somatisierungen verbunden. Die Indikationen zur Aufnahme sind daher vielfältig. Die PatientInnen haben u.a. affektive Störungen (z.B. Depressionen, akute Trauerreaktion), Angst- und Zwangsstörungen, Psychosomatische Störungen (z.B. Schmerzstörungen, Somatisierungsstörungen, Essstörungen), Erschöpfungszuständen (z.B. Post-COVID-Fatigue-Syndrom), Posttraumatische Belastungsstörungen, Schlafstörungen, Störungen der Persönlichkeitsentwicklung.
Wir sind dementsprechend eine Einrichtung für Menschen ab dem 55. Lebensjahr. In unserer Tagesklinik erfolgt die Behandlung wochentags von 8:00 Uhr bis 15:30 Uhr für einen begrenzten Zeitraum, bis die Diagnostik und die therapeutische Behandlung abgeschlossen sind und ein Übergang in das ambulante Setting möglich ist. Die Patientinnen und Patienten können selbstständig anreisen oder werden vom Fahrdienst morgens von zu Hause abgeholt und nach Therapieende wieder nach Hause gebracht. Die tagesklinische Behandlung ermöglicht ein intensives und flexibles Therapieangebot unter Einbeziehung der Alltagssituationen, was bereits einer der vielen Vorteile der teilstationären Behandlung ist. Weitere Vorteile der tagesklinischen Behandlung sind: die Behandlung findet unter Beibehaltung des sozialen Umfeldes statt, was v.a. bei PatientInnen höheren Alters einen essenziellen Mehrwert hat, die Steigerung der Belastung nach dem stationären Aufenthalt wird erprobt, und die Patientinnen und Patienten können (wieder)erlernte Fähigkeiten außerhalb der Klinik täglich üben.
Therapeutisch unterteilen sich unsere Patientinnen und Patienten in drei Schwerpunktgruppen: Eine Gruppe mit eher affektiven Störungen, eine Gruppe mit eher psychosomatischen Erkrankungen und eine Gruppe von Patientinnen und Patienten, die weniger belastbar sind oder andere therapeutisches Anliegen haben (z.B. ausschließliche Medikationsumstellung oder Demenzdiagnostik). Dabei ist die Einteilung nicht starr, sondern es besteht hier auch die Möglichkeit nach Steigerung der Belastbarkeit die Gruppe zu wechseln. Unser multiprofessionelles Team besteht aus spezialisierten FachärztInnen, Psychologischen PsychotherapeutInnen, Pflegepersonal, PhysiotherapeutInnen, FachtherapeutInnen für Ergotherapie und Mototherapie und SozialarbeiterInnen. Die Behandlungsmöglichkeiten, die wir den Patientinnen und Patienten bieten, sind dabei vielfältig. Das multiprofessionelle Team ermöglicht eine aus unterschiedlichen Disziplinen fachlich aufeinander abgestimmte Behandlung für psychiatrische und psychosomatische Patientinnen und Patienten. Zu unseren therapeutischen Angeboten gehören: Fachärztliche und allgemeinmedizinische Behandlung in Kooperation mit den Fachabteilungen des Universitätsklinikums und damit einhergehend modernste somatische und psychologische Diagnostik, Einzel- und Gruppenpsychotherapie mit dem Schwerpunkt Verhaltenstherapie, Einbeziehung und Beratung von Angehörigen, Ergotherapie, Hirnleistungsdiagnostik und -training, Ressourcenaktivierung und Training von Alltagsaktivitäten, Bewegungstherapie, Entspannungsverfahren, Achtsamkeitstraining, Genusstraining/Aromatherapie, Ohrakupunktur, Tiergestützte Therapie, unterschiedliche Indikationsgruppen (u.a. Strukturgruppe, Nordic Walking, Medikamentenstelltraining) und therapeutische Kooperationen (u.a. Kindergarten, Suchtberatung, Bibliothek). Dabei sind auch Aktivitäten außerhalb der Tagesklinik in Form von geplanten Ausflügen Teil des Therapieprogramms (z.B. in den Botanischen Garten oder in die Philharmonie). Eine weitere Besonderheit ist die umfassende sozialmedizinische Unterstützung von PatientInnen und deren Angehörigen. Gemeinsam wird die berufliche Perspektive erörtert und eng in den Therapieprozess einbezogen. Es erfolgt, wenn nötig, eine ausführliche Beratung zu Pflegeleistungen und wenn erforderlich die Einleitung dieser. Nicht zuletzt ist uns die soziale Aktivierung und der Kontaktaufbau zu weiterführenden Hilfsangeboten ein wichtiges Anliegen.
Für weitere Informationen und Eindrücke verweise ich gern auf folgende Website: https://www.uniklinikum-jena.de/psychosomatik/Tagesklinik+Psychotherapie+des+Alters.html
Kontakt
Dr. Sandra Nehrdich
Universitätsklinikum Jena, Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie
Tagesklinik Psychotherapie des Alters
Kochstraße 2a
07749 Jena
E-Mail: Sandra.nehrdich@med.uni-jena.de