Zum Titelbild von Markus Hagen und Bertram von der Stein

Das von Markus Hagen und mir gestaltete Titelbild dieser Jubiläumsausgabe, ein Hybrid aus Filzstiftzeichnung, Bastelei und Computerbearbeitung, nähert sich assoziativ der Frage, wer oder was die Zeitschrift PiA ist.

Wer von Ihnen das Titelbild genauer betrachten möchte, ist zu eigenen Assoziationen eingeladen. Assoziationen – spontan, sprunghaft und oft widersprüchlich – stehen ja oft am Anfang, wenn es darum geht, primärprozesshafte Gedankenfetzen und Affekte in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen. Dabei können je nach Sicht der Betrachter sowohl fröhliche als auch düstere Gedanken aufkommen. Hier die Assoziationen der beiden Gestalter zum Titelbild:

PiA erblickte in Kassel das Licht der Welt. Als Hintergrundkulisse des Titelbildes dient deshalb ein leicht verfremdetes Panorama der Stadt Kassel. Deutlich zu erkennen sind der Druselturm, ein seltenes Relikt aus dem Mittelalter, das den Zweiten Weltkrieg überstanden hat; und die im Stil der 1960er Jahre damals modern gestalteten Doppeltürme der Martinskirche. Der Wiederaufbau der im Zweiten Weltkrieg schwer zerstörten Stadt spiegelt die Zeit des Wirtschaftswunders wider, in der die aktuelle Generation der Alten aufwuchs, die noch von den damaligen Kriegskindern erzogen wurde. Kassel ist außerdem der Gründungs- und traditionelle Tagungsort der Arbeitsgruppe Psychoanalyse und Altern, die auch PiA mitgeprägt hat.

Unsere Fotomontage beinhaltet des Weiteren ein verfremdetes Modell der Brücke von Mostar, die daran erinnert, dass neue Kriege alte Traumata wachrufen und verschiedene Generationen von Alten durch repetitive Ereignisse prägen. Die Statue des Herkules auf der Brücke könnte bedeuten, dass sowohl das regelmäßige und pünktliche Erscheinen der Zeitschrift als auch die Kommunikation mit einer heterogenen Autoren- und Herausgeberschaft immer mal wieder ein kreativer Kraftakt ist.

Der Kasseler Herkules ist nicht allein auf der Brücke: Vielleicht läuft ihm Berta Pappenheim entgegen? In diesen beiden Gestalten begegnen sich Epochen, deren Auswirkungen uns noch heute beschäftigen: Beispielsweise in Form historischer Geschlechterstereotypien oder als Einfluss der Psychoanalyse, die in PiA in undogmatischen Varianten zu spüren ist. Die Frau auf der Brücke hat wie viele ältere Patientinnen ihre Wurzeln im 19. Jahrhundert, sie hat dessen Wert- und Moralvorstellungen übernommen und ist von den Ereignissen des 20. Jahrhunderts geprägt.

Im Mittelpunkt des Bildes befindet sich ein Boot mit neun Personen. Eine touristische Freizeitgruppe auf fröhlicher Entdeckungsreise? Oder Flüchtlinge, die das rettende Ufer erreichen möchten? Oder gar das Herausgeberteam von PiA? Der Fluss und das Boot mit seiner gemischtgeschlechtlichen Besatzung könnten verschiedene Strömungen symbolisieren: Eine psychoanalytische Grundströmung konfluiert mit familientherapeutischen, systemischen und verhaltenstherapeutischen Zuflüssen. So bietet die Zeitschrift auch eine weitgefächerte Auswahl von hermeneutischen, empirischen und durch qualitative Sozialforschung geprägten Beiträgen. Unser Boot, mit einer Besatzung aus Frauen und Männern dreier Generationen, die in ihrer Tätigkeit ein Spektrum zwischen Theorie und Praxis, zwischen Wissenschaft und psychotherapeutischem Alltag repräsentieren, ist auch bei hohen Wellen bisher nie vom Kurs abgekommen oder gar gekentert. Das ist auch den Steuerleuten unter den Herausgebern, Johannes Kipp und Astrid Riehl-Emde, zu verdanken.

PiA ist seit 20 Jahren auf einem Weg durch die Zeit. Dazu gehört auch der Generationenwechsel. Die zur Gründerzeit Jungen machen wie ihre Vorgänger und Vorgängerinnen die Erfahrung, jetzt in der Altersgruppe angekommen zu sein, der seit Jahren ihr Interesse gilt. Mit engagierten Jüngeren im Herausgeberteam wird auch PiA gut altern können! Dies alles ist bei Berücksichtigung schwieriger Zeiteinflüsse, denen nicht nur älteren Menschen ausgesetzt sind, ein Grund zum Feiern und zur Zuversicht mit Blick auf künftige Aufgaben.

PiA ist eine Fachzeitschrift, die auf psychoanalytischer Grundlage unter Berücksichtigung vielfältiger wissenschaftlicher und therapeutischer Richtungen einer interessierten Leserschaft die Anliegen der Psychotherapie im Alter näherbringen möchte. Sie ist Ausdruck eines intergenerationellen Gruppenprozesses, der die Aspekte einer Lebensphase, die an Bedeutung gewonnen hat, kritisch würdigen möchte.

Bertram von der Stein (Köln)

Wer oder was ist PiA? Zum Themenheft:
Zum Geburtstag: 20 Jahre PiA